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Ich beantrage Todesstrafe

Ich beantrage Todesstrafe

Titel: Ich beantrage Todesstrafe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Stelle gemeinsam eine Begnadigung erbitten.
    Berlin antwortet. Befehl des Führers: Die Frau ist sofort hinzurichten!
    Kein Aufschub mehr, keine Diskussion.
    Endgültig.
    Abends um sechs Uhr wird die grauhaarige Frau im Gefängnishof zum Fallbeil geführt. Mit abgeschnittenen Haaren, mit bloßem Oberkörper, eine weite Hose ohne Gürtel vor dem Leib festhaltend. Man spart im Jahre 1944 die Jacken. Warum eine Jacke, sie wird blutig und muß gewaschen werden. Wozu braucht ein Hingerichteter schon eine Jacke?
    Die Gehilfen des Scharfrichters ergreifen sie, werfen sie auf den Holztisch, der vor der runden Öffnung liegt, in die der Kopf geschoben wird. Dann reißen sie ihr die Hose vom Körper – auf die Hose wartet der nächste, der hingerichtet werden soll. Nackt liegt sie unter dem Fallbeil, mit geschlossenen Augen, wortlos, verwundert fast … Dann rauscht es über ihr, sekundenschnell … ssssst – – ein dumpfer Schlag, ein Plumpsen in eine Kiste. Der Körper wird zur Seite in den bereitstehenden Sarg geworfen, der Protokollführer sieht auf die Uhr.
    »Siebenundvierzig Sekunden.«
    Der Staatsanwalt nickt. Die Gehilfen streuen Sägemehl um den Tisch, tragen eine neue Kiste herbei, einen neuen Sarg.
    »Der nächste –«
    »Nur dreiundvierzig Sekunden.«
    »Der dritte!«
    »Nur vierzig Sekunden«, sagte der Protokollführer.
    Man kommt schnell weiter. Man hat Übung.
    Breslau 1944.
    Die grauhaarige Frau ist irgendwo begraben. Keiner weiß, wo. Auch der Mantel wandert weiter ins Unbekannte. Vielleicht ist er mit einem Flüchtlingstreck nach Westdeutschland gekommen …?
    Nur ein Mantel …
    Fallbeil …
    Todesstrafe?
    Ein alter, zerrissener Mantel – –
    1940. Im geräumten Saarstreifen hinter dem Westwall.
    Eine Kompanie geht in Ruhestellung. Vorbei an den mit Hausrat zurückgelassenen Häusern, auf denen noch die Kaffeetassen auf dem Tisch stehen.
    Große Plakate leuchten in der Sonne.
    ›Wer beim Plündern gefaßt wird, wird sofort standrechtlich erschossen!‹
    Unteroffizier Werner Scherbrand ist Musikstudent. Er liegt mit seiner Kompanie in einer Scheune. Das Bauernhaus ist geräumt wie alle Häuser. Nicht einmal zum Bettenmachen hatten die Bewohner noch Zeit … die Federbetten liegen aufgeschlagen da.
    Auch ein Akkordeon steht herum. Eine Hohner mit vierundsechzig Bässen. Ein schönes Ding. Der Hoferbe hat damit immer auf den Bauernhochzeiten gespielt, bei der Kirmes, dem Weihnachtsmarkt, dem Erntedankfest. Und abends im Dorfkrug, wenn am Samstag die Burschen und Mädel tanzten.
    Der einstige Musikstudent, Unteroffizier Werner Scherbrand, sieht das Akkordeon. Vierundsechzig Bässe! Klaviertastatur. Er hängt es sich um, er greift in die Tasten, er spielt. ›Schwarzbraun ist die Haselnuß …‹ Hei, wie das klingt … nach fast einem Jahr wieder Musik unter den eigenen Händen! Er spielt weiter, verklärt in der verlassenen Stube stehend, bis der Abend kommt.
    Am Abend nimmt er das Akkordeon mit … genau vierundfünfzig Schritte weit bis zur Scheune, wo seine Kompanie in Ruhe liegt. Spielt für seine singenden und mitklatschenden Kameraden.
    Volkslieder.
    Operetten.
    Märsche.
    Tänze.
    Beim Wiener Walzer kommt der Spieß in die Scheune. Er sieht sich um und geht wieder. Er ist ein korrekter Mann. Er kennt die Anschläge an den Häusern. Die Plakate: ›Wer beim Plündern –‹
    Am nächsten Tag Verhör. Tatbericht. Abstellung zum Bataillon, zum Regiment, zum Divisionsgericht. Kurze Verhandlung.
    »Haben Sie nicht gewußt …«
    »Doch. Aber ich dachte, daß meine Kameraden …«
    »Sie sollen nicht denken! Sie sollen gehorchen!«
    Urteil – getreu dem Buchstaben des Gesetzes, formaljuristisch richtig: »Der Unteroffizier Werner Scherbrand wird wegen Plünderung zum Tode durch Erschießen verurteilt.«
    Ein Akkordeon … genau vierundfünfzig Schritte weit getragen … einen Abend lang gespielt, für die Kameraden.
    Todesstrafe!
    Todesstrafe …??
    Willy Sänger saß am Bett Helgas und hielt ihre Hand.
    Sie sah ein wenig blaß aus, die Lippen waren blutleer, die Augen tief in den Höhlen waren glanzlos und müde. Aber sie lebte!
    Der Schuß in den Rücken hatte die Lunge gestreift, aber sie nicht ernstlich verletzt. Nach fünf Bluttransfusionen war Helga Krämer soweit hergestellt, um ihre Aussagen machen zu können. Sie bestätigten nur das, was schon Willy Sänger zu Protokoll gegeben hatte. Dicaccio hatte ohne Bedenken geschossen, ohne Warnung, ohne ein Wort zu verlieren. Er hatte das ganze

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