Ich beschütze dich
kämpfte, kramte er aus einer der Hutschachteln eine Handvoll Seidenschals hervor.
»Alles«, sagte er. »Mach schon, zieh alles aus.«
Nacheinander band er mir die Handgelenke über dem Kopf am Bettgestell fest. Dann schlang er mir Schals um die Knöchel und zurrte sie am Rahmen fest. Ich wehrte mich und beschimpfte ihn, aber er lachte und meinte, ich hätte es doch so gewollt.
»Bis morgen«, sagte er und wollte zur Tür gehen.
»Es ist kalt. Du kannst mich doch so hier nicht liegen lassen.« In diesem Moment glaubte ich nicht, dass er es tun würde. Ich genoss einfach das Spielchen.
»Tut mir leid«, sagte er. »Ich muss los.«
»Was soll ich machen, wenn sie zurückkommen? Binde mich los!«
Er zuckte mit den Schultern.
»Seb!«
Er ging zur Tür. Wandte sich um. Und grinste.
»Schönen Abend noch!«, sagte er. Dann drückte er die Klinke herunter, ging hinaus und schloss die Tür hinter sich. Ich konnte seine Schritte auf der Holztreppe hören, die nach unten ins Erdgeschoss führte. Ich zerrte an den Schals. Panik stieg in mir auf. Was, wenn Seb das Haus verließ und mich den ganzen Abend so liegen ließ? Wenn meine Eltern zurückkamen und meine Mutter duschen und sich umziehen wollte? Ich versuchte zu hören, was er unten machte. Ein Geräusch drang nach oben – die Tür zum Hinterhof fiel zu.
Schritte auf der Treppe. Ich versuchte, mich aufzusetzen. Wollte heraushören, von wem sie stammten. Als sich die Tür öffnete, wappnete ich mich innerlich und suchte nach einer Erklärung.
»Wieso liegst du hier nackt auf dem Bett?«, fragte Seb.
»Du spinnst doch!«, zischte ich. »Du Penner. Binde mich los.«
»Was hast du gesagt? Ich habe dich nicht verstanden.«
»Das ist nicht mehr witzig, Seb. Ich hatte Angst.«
»Soll ich dich losbinden?«
»Ja, bitte, bitte.«
Er beugte sich über mich, und ich strampelte, wand mich, hob den Kopf und biss ihm fest in den Hals.
»Autsch. Wie gemein!«, sagte er lachend und drückte meinen Kopf mit der Hand zurück. Dann zog er seine Jeans herunter, band meine Füße los und legte sich auf mich.
Ich drehe mich um. Ständig muss ich an Jez denken, der betäubt über mir auf dem alten Eisenbett liegt und schläft. Ich finde keine Ruhe. Mir fallen die Seidenschals in meinem Kleiderschrank ein.
Ich stehe auf, ziehe meinen Kimono an und gehe mit einem Bündel Seide hinauf in das Musikzimmer.
Oben nutze ich die Gelegenheit, ihn ausgiebig zu betrachten. Ich ziehe die Decke zurück. Er hat sich halb ausgezogen und trägt noch Boxershorts und ein T-Shirt. Offenbar ist er eingeschlafen, als er den Kapuzenpulli ausziehen wollte, denn ein Arm steckt noch im Ärmel. Ich beobachte, wie sich sein Adamsapfel beim Atmen auf und ab bewegt, wie sich sein Brustkorb hebt und senkt. Sein Nabel ist nicht eingesunken, sondern bildet eine vollkommene, flache Vertiefung zwischen seinen Bauchmuskeln, drei kleinen Wölbungen neben zwei winzigen Fältchen. Die Boxershorts hängt locker auf seinem schmalen Becken, seine Beine sind so lang und glatt und muskulös wie die eines Pferdes. Ich würde ihn gerne erstarren lassen, so wie Seb in genau diesem Alter in meiner Erinnerung erstarrt ist.
Stattdessen nehme ich den ersten Schal und wickle ihn eng um Jez’ rechtes Handgelenk. Dann schlinge ich ihn fest um den eisernen Bettpfosten, so wie Seb es bei mir gemacht hat. Ich kenne jede Bewegung, weiß genau, mit welchem Knoten ich ihn sichern muss. Dasselbe wiederhole ich bei seiner linken Hand und seinem guten Fuß. Als er richtig festgebunden ist, lege ich mich neben ihn auf das Bett, strecke den Arm über sein Becken und lasse die Hand auf seiner Hüfte ruhen. Seine Haut fühlt sich warm an unter meiner Hand.
Er rührt sich nicht. Ich schiebe mich weiter nach unten und küsse ihn auf den Bauch. Ich kann nicht anders. Farbe, Konturen, Textur, alles ist perfekt. Seine Haut ist straff, sie schnellt auseinander, wenn man hineinkneift. Sie schmeckt salzig und rein. Selbst aus der Nähe ist sie vollkommen. Ich suche sie genau nach einem Makel ab. Da ist keiner. Ich lecke an ihr wie an einer Schale dicker, heißer Schokolade, nutze es aus, dass er friedlich schläft und sein warmer Atem gleichmäßig geht.
Die Stille wird durch das lächerlich hohe Schrillen des Telefons im Erdgeschoss durchbrochen. Die Dinge entgleiten mir, sie verschwimmen leicht. Ich sehe wie von oben auf mich herab, wie ich über dem Körper dieses Jungen hocke und mein Haar über seine Hüften streicht. Erschrocken über
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