Ich beschütze dich
Hause.« Wimmernd weicht er zurück.
»Du kommst auch nach Hause. Aber ich muss mir deinen Knöchel ansehen. Im Badezimmer habe ich etwas Gel und einen Verband. Bringen wir das erst mal in Ordnung, dann sehen wir weiter.«
»Das tut scheißweh.«
Ich sehe ihm an, wie sehr er sich bemüht, tapfer zu sein. Er muss seinen Fuß auf ein Kissen legen, sage ich ihm, und er soll lieber wieder zum Bett gehen.
»Komm schon, Jez. Lass mich nachsehen.«
Als er aufstehen will, verzieht er wieder das Gesicht.
»Jez.« Ich versuche, seinen Blick aufzufangen. »Das war doch nicht nötig. Ich habe dir die Sachen gebracht, die du haben wolltest. Ich will nur, dass dir nichts passiert, dass du glücklich bist.«
»Mir gefällt das nicht«, sagt er. »Ich will hier nicht eingeschlossen sein.« Er verzieht das Gesicht vor Schmerz oder, was ich nicht mal denken mag, vor Angst.
»In diesem Zustand gehst du jedenfalls nirgendwohin. Ich muss mich erst mal um dich kümmern.«
Er lässt sich von mir aufhelfen und humpelt in das Musikzimmer, nachdem er eingesehen hat, dass ihm wirklich keine andere Wahl bleibt.
Als er sich auf dem Bett zurechtgesetzt hat, schiebe ich den Saum seiner Jeans hoch. Sein Knöchel schwillt schon an und verfärbt sich scheußlich. Es scheint nichts gebrochen zu sein, aber ich vermute, dass er sich den Knöchel übel verstaucht hat.
Ich schließe die Tür ab und gehe nach unten, um den Verbandskasten und Ibuprofen gegen die Schmerzen zu holen. Zitternd suche ich alles zusammen. Ich fülle Suppe in eine zweite Schale und stelle ihm auf einem neuen Tablett noch einmal das Mittagessen zusammen. Auf dem Weg nach oben stoße ich mit dem Fuß die Scherben zur Seite, um sie später wegzuräumen. Wachsam schiebe ich mich seitlich durch die Tür. Aber dieses Mal wartet er ergeben, er hat zu große Schmerzen oder schämt sich vielleicht zu sehr, um noch einmal eine Dummheit zu versuchen. Er lässt zu, dass ich seinen Fuß anhebe, ihm die Socke ausziehe und das Gel auf die Schwellung reibe. Ganz langsam und so sanft ich kann trage ich es auf. Dann wickle ich den Verband sacht um seinen Knöchel, bis er von dem weißen Stoff umhüllt ist.
»Ist es so besser?«, frage ich.
Seufzend lässt er sich nach hinten sinken und nickt. Er spült die Schmerztablette mit einem Schluck Wasser herunter. Wir sagen nichts.
Immer noch zitternd schließe ich die Tür ab und gehe nach unten. Mir gefällt nicht, was da passiert ist, immerhin zeigt es, dass Jez mir noch nicht vertraut. In der Küche lehne ich mich für eine Weile gegen das Fensterbrett. Starre auf den angeschwollenen Fluss und hoffe, dass mich seine sanften Wellen beruhigen. Aber mein Atem geht schwer, und ein Schluchzer steigt mir die Kehle hinauf.
Es dauert lange, bis ich aufhöre zu weinen. Ich trockne mir die Tränen, dann wickle ich mich in meinen Mantel und gehe nach draußen.
Es hat eine Springflut gegeben, und obwohl bereits die Ebbe eingesetzt hat, ist der Fußweg stellenweise überschwemmt. Touristen arbeiten sich auf Zehenspitzen am Zaun der Universität entlang, um keine nassen Füße zu bekommen. Es verblüfft mich, dass sie miteinander plaudern und lachen können, als sei nichts geschehen, während ich emotional eine solche Tortur durchgemacht habe, dass ich mich schwach und zittrig fühle.
Trotz allem oder vielleicht gerade deswegen will ich Jez heute Abend ein nahrhaftes Essen vorsetzen können.
Ich gehe zum Markt und fülle meinen Korb rasch mit Focaccia, verschiedenen Käsesorten und ein paar Kleinigkeiten von den italienischen und griechischen Ständen, bevor ich am Fluss entlang zurückeile. Hinter mir steht die Sonne sehr tief am Himmel. Mein Schatten erstreckt sich Richtung Osten von meinen Füßen auf dem dunklen Weg bis beinahe zu dem Kohlenanleger, wo mein Kopf den Stacheldraht auf der Mauer streift. Ich bin eine Riesin geworden.
Ich beschließe, noch weiter zu laufen, am Flusshaus vorbei, während nach und nach rund um die O2-Arena Lichter angehen und der Geruch des Flusses, aus dem sich die Flut zurückzieht, meine Gedanken reinigt, bevor mich die zunehmende Dunkelheit zu der Tür in der Mauer zurücktreibt.
K APITEL A CHT
Sonntagabend
Sonia
Als ich das Haus erreiche, ist es draußen völlig dunkel geworden. Ich werfe erst einen Blick durch die Oberlichter, bevor ich Jez’ Tür öffne. Er sitzt auf dem Bett, den schlimmen Fuß auf ein Kissen gestützt, und spielt Mundharmonika, also öffne ich die Tür, schlüpfe ins Zimmer,
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