Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich bin alt und brauche das Geld

Ich bin alt und brauche das Geld

Titel: Ich bin alt und brauche das Geld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Völler
Vom Netzwerk:
die nicht wusste, wie sie dorthin gekommen war und vor allem nicht, wie sie wieder runterkommen sollte. Ich ahnte, dass dieser Deal mir vielleicht noch Probleme bereiten würde.
*
    Doch zunächst fing alles ganz gut an. Adrian machte sich nützlich, indem er die Wohnzimmerregale aufbaute und dann mit mir zusammen die Möbelpappe aus meiner Wohnung trug und im Hof stapelte, wo sich sofort die Kinder daraufstürzten, um sich Häuser und Autos daraus zu bauen. Damit waren sie für eine Weile sinnvoll beschäftigt.
    Fragend sah ich Adrian an. »Woher wusstest du eigentlich, dass meine Wohnung noch nicht renoviert ist und dass überall noch die Möbelteile herumliegen?«
    »Der Knettenbrecht hat es Natascha erzählt, und die mir.«
    »Natascha? Die junge Dame aus dem Parterre?«
    »Ja, die Russin.«
    »Jennifers Aupair Olga kommt auch aus Russland.«
    »Ja, das Haus ist ein echtes Paradebeispiel für Multikulti. Ich mag diese bunte Mischung.«
    »Ich auch. Das war für mich sogar das Beste an dem Haus hier«, stimmte ich zu. Und befahl mir, nicht auf den angenehm überraschten Seitenblick zu achten, den er mir dabei zuwarf.
    Bald darauf erfuhr ich auch, was Natascha beruflich machte. An diese Information kam ich eher zufällig, als ihre schrillen Schreie aus der offenen Hintertür nach draußen drangen. Adrian lief sofort ins Haus, und ich folgte ihm. Im Flur fand eine Auseinandersetzung statt – Natascha hatte alle Hände voll damit zu tun, einem Mann die Augen auszukratzen, welcher wiederum damit beschäftigt war, sie zu erwürgen. Es war ein ungleicher Kampf, denn ihre Fingernägel waren mörderisch lang und ihr Gegner nicht besonders in Form. Der Mann – ein Fettsack um die fünfzig mit mehr Haaren in den Nasenlöchern als auf dem Kopf – wich heulend zurück und hielt sich das Gesicht, was Natascha genügend Spielraum gab, ihr Knie zum Einsatz zu bringen. Der Mann heulte noch lauter und krümmte sich. Er hüpfte herum, eine Hand im Gesicht, die andere zwischen den Beinen, und schrie Dinge, die nicht jugendfrei waren. Hastig scheuchte ich die Kinder, die mir nachgelaufen waren und mit offenem Mund dastanden, die Treppe hoch.
    »Charlotte, der Mann hat ein ganz böses Wort gesagt«, rief Paulinchen entsetzt.
    »Geht alle rauf«, befahl ich. »Ich komme gleich nach.«
    Adrian fasste den Mann beim Kragen und beförderte ihn zur Haustür. »Ich helfe Ihnen mal raus. Sie wollten ja sowieso gerade gehen.«
    Ungerührt schob er den zeternden Typen nach draußen und machte die Tür hinter ihm zu.
    Natascha betrachtete ihre Fingernägel. »Sorry wegen Krach«, sagte sie mit ihrer rauchigen Stimme. Der ganze Vorfall schien sie nicht sonderlich aus der Ruhe zu bringen. Wenn sie sich überhaupt aufregte, dann bloß über einen ruinierten Fingernagel. Leise fluchend betrachtete sie ihn, bevor sie aufblickte. »Danke, großer starker Mann. Du bist Held.«
    »Och, da nich für«, sagte Adrian. »Ich hab ja nichts getan. Frauen in Not bin ich immer gern behilflich.« Er wandte sich zu mir. »Wie ist es, sollen wir nicht auch noch deinen Sessel in Angriff nehmen?«
    Natascha betrachtete mich mit einem vagen Lächeln, bei dem ich mir auf unerfindliche Weise blöd vorkam. Ich fühlte mich deutlich wohler, als sie wieder in ihrer Wohnung verschwunden war und Adrian und ich gemeinsam nach oben gingen.
    »Kommt das bei ihr öfter vor?«, fragte ich ihn. »Ich meine, solche Prügeleien.«
    »Ach, das war harmlos. Natascha hat ein paar Kunden, die sich nicht benehmen können, aber sie wird immer gut mit denen fertig.«
    »Kunden?«
    »Sie arbeitet für einen Escortservice.«
    »Ach so«, sagte ich. Ich wollte gar nicht genauer wissen, was das im Einzelnen bedeutete, denn als unser Gespräch an dieser Stelle ankam, waren wir fast oben, wo die Kinder auf uns warteten. Und zwar nicht nur die beiden, die mir in meiner Eigenschaft als verantwortliche Aufsichtsperson anvertraut waren, sondern auch die drei Ansari-Sprösslinge. Ich brachte es nicht übers Herz, sie runterzuschicken, folglich kamen sie mit in meine Wohnung und durchwühlten unter fröhlichem Radau gemeinsam mit Paulinchen und Mäxchen alle Tüten, Taschen und Kisten nach brauchbaren Spielsachen. Am Ende saßen die Zwillinge im Wohnzimmer auf dem Boden und bauten Legoteile zusammen, und die Mädchen hatten sich auf dem Sofa ausgebreitet und spielten mit Paulinchens Barbies. Mäxchen wuselte unterdessen unablässig um Adrian herum und stellte ihm tausend Fragen – eigentlich war

Weitere Kostenlose Bücher