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Ich bin alt und brauche das Geld

Ich bin alt und brauche das Geld

Titel: Ich bin alt und brauche das Geld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Völler
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NOW . Ich hab mich nach Hilfe umgesehen, aber von den ganzen Leuten, die zur U-Bahn runterwollten oder von unten raufkamen, ist nicht einer stehen geblieben. Und es waren VIELE. Vor lauter Angst hab ich mein Handy aus meiner Jackentasche geholt und es dem Kerl gegeben, worauf er ganz gemuetlich davonspazierte. Kein Schwein hat ihn aufgehalten. Kaum war der Typ weg, standen mindestens zehn Leute um mich rum, die mir helfen wollten. Einer von denen hat mich zur Polizei gebracht. Dort haben sie dann behauptet, es waere in Wahrheit gar kein Raubueberfall gewesen. Fuer einen richtigen Raubueberfall muss man verletzt sein, sonst zaehlt es nur als Belaestigung. In England ist das irgendwie anders geregelt als bei uns. In London beispielsweise gehen mehr Leute mit Messer auf die Strasse als mit Regenschirm, jedenfalls hat das der Mann gesagt, der mich zur Polizei gebracht hat. Er heisst Simon, ein typischer rothaariger Englaender, und er hat mir sofort seine Adresse und seine Telefonnummer aufgeschrieben, falls ich mal wieder Hilfe brauche. Sehr nett und hoeflich, kennt sich in der Stadt aus wie in seiner Westentasche. Simon sagt, London ist quasi die Messer-Metropole schlechthin, und Strassenraub gilt als so eine Art Freizeitbeschaeftigung. Er hat gesagt, dass er kaum einen Menschen in London kennt, der noch nicht ausgeraubt wurde. Genau das Gleiche hat mir die Hausdame vom Hotel erzählt. Ihr selbst ist es schon vier Mal passiert. Inzwischen geht sie nur noch mit Fake-Handtasche, Fake-Portemonnaie und Fake-Handy auf die Strasse; ihre richtigen Sachen hat sie alle in einer Guerteltasche unter der Jacke. Sie sagt, sie sieht damit aus, als waere sie schwanger, aber das ist ihr total egal, denn die Fake-Sachen sind ihr auch schon zwei Mal geraubt worden. Ich aergere mich jetzt, dass ich nicht auch eine Fake-Tasche und eine Guerteltasche hatte, zumal ich sowieso schwanger aussehe.
    Nach dem Ueberfall sass ich ungefaehr zwei Stunden auf dem Revier, bis Mister HOTMAMI mich endlich abholen kam – ich kannte seine Handynummer nicht auswendig, und im Buero war niemand mehr. Es hat ewig gedauert, ihn ueber den Wachdienst der Firma ausfindig zu machen. Der nette Simon hat die ganze Zeit mit mir gewartet, so einen anstaendigen und zuvorkommenden Menschen habe ich selten kennengelernt! Er hat sich richtige Sorgen um mich gemacht. Ich mir selber aber auch. Zwischendurch dachte ich naemlich, ich wuerde Wehen kriegen – es war echt heftig, ihr Lieben! –, aber dann war es zum Glueck nur Durchfall. Oder nicht zum Glueck, je nachdem. Ich kann euch nur dringend empfehlen, niemals in einem Londoner Polizeirevier aufs Klo zu muessen. Simon sagt, es haette ihm koerperlich wehgetan, mich so leiden zu sehen, und er hat darauf bestanden, dass mir eine Pritsche zum Hinlegen angeboten wurde. Darauf habe ich dann aber lieber verzichtet, weil es nur in den Arrestzellen Pritschen gab.
    Jetzt hocke ich seit gestern Abend hier im Hotel und habe niemanden zum Reden. Ausser Simon, mit dem ich vorhin bestimmt eine halbe Stunde telefoniert habe und der sich wahnsinnig gefreut hat, dass es mir besser geht und dass ich nicht von dem Ueberfall traumatisiert bin. Ein echt feiner Mensch – ein Gentleman im wahrsten Sinne des Wortes. Er ist in der Computerbranche und hat eine eigene Firma mit Sitz in der Oxford Street. Ich muss unbedingt nachsehen, wo genau das ist. Sobald ich mir einen neuen Stadtplan besorgt habe, denn der, den ich vorher hatte, war in meiner Handtasche, genau wie mein Geld, mein Perso, mein Mutterpass und mein iPad.
    Mittlerweile bin ich trotzdem wieder online, wie ihr seht. Allerdings habe ich dafuer bloss einen alten Laptop mit englischer Tastatur, auf der die gefuehlte Haelfte der Buchstaben fehlt. Die Hausdame hat ihn mir geliehen, er gehoert ihrem Sohn, aber der braucht ihn nicht mehr, weil er jetzt ein MacBook hat.
    Mister HOTMAMI konnte nicht hier bei mir im Hotel bleiben, er wurde noch zu einem dringenden Wochenend-Meeting irgendwo ausserhalb erwartet. Dort muss er sich das Zimmer mit einem Kollegen teilen, deshalb konnte ich nicht mit. Er meinte, ich solle mich hier erst mal in Ruhe erholen. Dass ich nicht lache!!! Ich WEISS, dass er mit dieser Schlampe aus dem Buero abhaengt, aber ich bin nicht so bloed, ihm meinen Verdacht ohne die passenden Beweise mitzuteilen. Die werde ich mir heute noch besorgen und ihn danach damit konfrontieren. Er wird dann gar nicht erst versuchen koennen, sich rauszureden, sondern gleich zur Vernunft

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