Ich bin alt und brauche das Geld
es immer nur eine, sie lautete »Und was machst du jetzt? « –, während Adrian Poäng zusammenbaute. Mäxchen setzte sich anschließend testhalber hinein und war binnen Sekunden eingeschlafen.
Sofort wurde es bedeutend stiller im Raum. Aufseufzend zeigte ich in Richtung Küche. »Kaffee?«
»Gern.«
Unterwegs begutachtete er die Wände und Decken. »Sieht ziemlich gammelig aus. Dem Vermieter gehören die Ohren lang gezogen.«
»Warte, bis … du die Küche siehst.« Ich zögerte einen winzigen Moment vor dem Du, denn ich hatte mich noch nicht an die vertrauliche Anrede gewöhnt. Ein wenig trübsinnig überlegte ich, ob diese innere Hürde ein Zeichen dafür war, dass man älter wurde. Früher hatte ich weniger Probleme damit gehabt, schnell und ungezwungen zum Du überzugehen, ob es nun Nachbarn waren oder Stammkunden oder Leute aus den Rückengymnastik-Kursen an der VHS – Hauptsache, man war sich sympathisch.
»Du lieber Himmel.« Adrian gluckste erheitert, als er in die Küche kam. »Das ist ja wirklich anno Tobak. Du solltest deinem Vermieter in den Hintern treten.«
»Dazu müsste er mir erst mal über den Weg laufen.«
»Er steht gerade vor dir.«
Ich nahm diese Information entgeistert zur Kenntnis. » Du bist der Hauseigentümer?«
Damit bekam das, was er bisher über den Hauseigentümer – also sich selbst – erzählt hatte, eine ganz andere Bedeutung. Er hätte leicht verhindern können, dass ich die Wohnung mietete, denn angeblich wollte der Hauseigentümer ja keine Mieter mehr im vierten Stock. Stattdessen hatte er mir noch Tipps gegeben, wie ich an den Vertrag kam und dabei sogar Geld sparen konnte.
Ich muss ziemlich geplättet dreingeschaut haben, denn Adrian räusperte sich leicht verlegen, bevor er mit fester Stimme sagte: »Ich wollte es dir ja gleich erzählen, ehrlich. Aber irgendwie dachte ich, dass ich mir damit vielleicht die Möglichkeit verbaue, eine wirklich nette Mieterin in der vierten Etage zu haben. Also hab ich es aufgeschoben. Natürlich hätte ich vor deinem Einzug mal nachsehen sollen, in welchem Zustand die Wohnung ist. Aber solche Dinge habe ich bisher immer der Hausverwaltung überlassen, weil ich keinen Nerv habe, mich selber drum zu kümmern. Ich habe das Haus vorletztes Jahr von meiner Tante geerbt. Hier gewohnt hatte ich vorher schon, aber ich habe mich immer noch nicht richtig daran gewöhnt, dass es jetzt mir gehört.« Er machte ein reumütiges Gesicht. »Ich hoffe, du nimmst meine Entschuldigung an.«
»Wieso nicht. Immerhin willst du mir die Wände streichen. Freiwillig machen das doch die wenigsten Vermieter.« Ich gab mich gelassen, aber mein Herz klopfte unvernünftig schnell, als ich die Kaffeemaschine in Gang setzte. Seine Gestalt in der kleinen Küche war viel zu groß und einschüchternd, auch noch, als er am Tisch saß und mit mir Kaffee trank.
Er deutete auf die gestapelten Holzkisten an der Wand. »Wein?«
Ich nickte. »Das ist der Rest von meinem Laden.«
»Du hattest einen Weinladen?«
»Ach, das ist eine lange und langweilige Geschichte.«
»Das entscheiden wir, nachdem du sie erzählt hast.« Er hielt mir seine Tasse zum Nachschenken hin. »Am besten mit so vielen Einzelheiten wie möglich.«
*
»Das ist unglaublich«, sagte Doro mit funkelnden Augen, als ich abends noch auf einen Sprung bei ihr vorbeischaute. Olga war irgendwann am späten Nachmittag wieder aufgetaucht und hatte behauptet, sonntags wäre immer ihr freier Tag – dafür hütete sie jetzt die schlafenden Kinder.
Doro schenkte uns von dem Wein ein, den ich mitgebracht hatte. »Ich kann es immer noch nicht fassen! Du kommst ins Fernsehen!«
»Ach Quatsch. Er sammelt nur ein paar Ideen. Es wird alles verfremdet. Anstelle eines Weinladens soll es zum Beispiel eine Confiserie sein. Oder ein Modegeschäft. Da schwanken wir noch.«
»Wir?«
»Nein, er natürlich, es ist ja sein Drehbuch. Er braucht einfach bloß ein paar realitätsbezogene Einzelheiten für die Hintergrundstory, und die kriegt er, indem ich ihm banale und völlig uninteressante Dinge aus meinem Leben erzähle.«
»Er scheint sie aber interessant zu finden.« Doros Augen funkelten noch stärker. »Vor allem scheint er dich interessant zu finden.«
»Blödsinn. Er ist einfach nur verzweifelt wegen seiner Schreibblockade, da greift er halt nach jedem Strohhalm.«
»Nach einem Strohhalm, den er sofort duzen wollte.«
Darauf ging ich nicht ein. Es kam mir so vor, als wollte Doro mich unbedingt von etwas
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