Ich bin alt und brauche das Geld
überzeugen, das ich völlig anders sah, und ich hatte keine Lust, darüber zu debattieren. Außerdem wusste sie schließlich nicht, was Natascha vorhin zu mir gesagt hatte. Sie hatte gerade im Erdgeschoss vor ihrem Briefkasten ihre Wochenend-Werbepost auf den Fußboden geworfen, als ich die Treppe runtergekommen war, und dann hatte sie mir unter halb gesenkten Lidern einen bedeutsamen Blick zugeworfen. »Adrian ist Hammertyp, was?«
»Er hilft mir beim Renovieren«, sagte ich gedankenlos.
Natascha kicherte. »Nee, nicht Hammer für Arbeit, sondern für …« Das Ende des Satzes ersetzte sie durch einen schwärmerischen Augenaufschlag und eine eindeutige Handbewegung, als wüsste sie genau, wovon sie sprach. Für mich stand damit fest, dass Adrian in mir garantiert nicht die Art Strohhalm sah, die Doro mir einreden wollte. Da wäre er auch schön blöd, schließlich war der Strohhalm im Parterre in viel besserem Zustand als der aus dem vierten Stock, und außerdem sozusagen gebrauchsfertig und sofort einsatzbereit.
»Aber ihr seid eindeutig schon auf einer sehr intimen Ebene miteinander«, sagte Doro. »Immerhin hast du ihm die ganze Geschichte mit Klaus erzählt.«
»Die habe ich dem Gerichtsvollzieher auch erzählt. Das hat überhaupt nichts zu bedeuten.«
»Der Gerichtsvollzieher hat dir keine Möbel zusammengebaut und nicht mit dir Kaffee getrunken. Ich bin ganz sicher, dass da was zwischen euch geht.« Sie prostete mir zu.
»Hör bitte auf mit dem Schwachsinn.«
Doro tat so, als hätte sie es nicht gehört. »Und das Beste daran ist, dass er Geld hat.«
»Wie kommst du auf die Idee?«
»Na, er schreibt fürs Fernsehen! Und er hat ein Mietshaus mitten in Frankfurt. Ich wette, er schwimmt nur so in Geld.«
»Mietshäuser kosten oft mehr, als sie einbringen, vor allem die älteren. Er hat gesagt, dass davon so gut wie nichts bei ihm hängen bleibt. Letztes Jahr musste er die Heizungsanlage komplett erneuern lassen, dieses Jahr musste der Keller trockengelegt werden, und nächstes Jahr ist ein neues Dach an der Reihe. Neue Fenster wahrscheinlich auch.«
In dem Moment kam Dirk nach Hause und erlöste mich von Doros Verhör. Er warf seine Jacke über den Garderobenhaken und knutschte Doro ungefähr drei Minuten lang ab, als wäre ich gar nicht da. Dann schenkte er sich ein Glas von dem 99er Brunello ein und kippte ihn runter wie Cola, was mir ein schmerzliches inneres Stöhnen entlockte. Doch dann überraschte er mich mit einer erfreulichen Nachricht.
»Ich hab vielleicht einen Job für dich gefunden«, sagte er. »Es wäre zwar in Hanau, aber dahin gibt es ja eine gute Anbindung. Sie wollen da ein neues Delikatessengeschäft aufmachen. Hochwertige Weine inklusive. Mit dem Inhaber hab ich früher mal Tennis gespielt, er hat alle Versicherungen bei mir laufen. Er braucht für den Laden noch eine Fachkraft und hat gesagt, du sollst ihn mal anrufen.« Dirk reichte mir eine Visitenkarte, die ich aufgeregt entgegennahm. Nach den vernichtenden Absagen, die ich auf meine bisherigen Bewerbungsversuche kassiert hatte, war das genau der Silberstreif am Horizont, den ich brauchte. Delikatessen und Wein, das war wie Yin und Yang. Gutes Essen wollte guten Wein, und wenn jemand beides gut verkaufen wollte, war professionelles Basiswissen von Fachleuten unerlässlich. Das war garantiert meine Chance! Ich bedankte mich glücklich bei Dirk.
Doro schmiegte sich strahlend an ihn. »Ist er nicht toll?«
»Ja«, sagte ich pflichtschuldigst, und als er das nächste Glas Brunello wegbecherte, fand ich es schon nicht mehr ganz so schlimm.
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Die Stadt der langen Messer
Es ist nicht zu fassen! ICH BIN AUSGERAUBT WORDEN!!! Kaum habe ich mit meinem Trolley und dem Regenschirm (in London giesst es seit meiner Ankunft wie aus Kuebeln) endlich die Treppe von der U-Bahn nach oben geschafft, als es auch schon passierte. Ein mieser Kerl mit Kapuzenpulli wollte mir die Handtasche wegreissen. Ich hab sie natuerlich festgehalten, aber was soll ich euch sagen – dieser Kerl zog ein Messer und hielt es mir so dicht unter die Nase, dass ich die Gravur lesen konnte (Keine Uebertreibung! Es stand Stainless Steel drauf!). Da hab ich ihm lieber die Tasche gegeben. Aber es kam noch schlimmer. Er machte sie auf, guckte rein und sagte: Where ist your fucking mobile? Ich darauf geistesgegenwaertig: I do not understand you . Darauf hat er wieder mit dem Messer rumgefuchtelt und gebruellt wie besessen, dass er mein Mobile will, und zwar
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