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Ich bin alt und brauche das Geld

Ich bin alt und brauche das Geld

Titel: Ich bin alt und brauche das Geld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Völler
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den Brombeeraugen glichen sie einander wie ein Ei dem anderen. Das Mädchen war etwas jünger, vielleicht vier, und hatte ordentlich geflochtene schwarze Zöpfchen. Als sie uns in den Flur kommen sahen, blieben sie wie angewurzelt stehen und starrten uns an.
    »Das sind Kinder«, stellte Mäxchen zutreffend fest.
    »Wohnen die hier?«, wollte Paulinchen von mir wissen.
    Die Antwort kam von den beiden Jungs – sie nickten eifrig. Es sah lustig aus, weil sie es exakt synchron taten und obendrein genau denselben Gesichtsausdruck zeigten, eine Mischung aus Neugier und zaghafter Bewunderung. Paulinchen überging es hoheitsvoll, aber man merkte, dass sie sich der verstohlenen Blicke bewusst war. Wahrscheinlich hatte sie im Kindergarten schon den einen oder anderen Verehrer.
    »Wir gehen auf den Hof«, erklärte der eine Junge.
    »Da haben wir Spielsachen«, ergänzte sein Zwillingsbruder.
    »Ich hab einen Roller«, sagte das kleine bezopfte Mädchen mit schüchterner Piepsstimme.
    »Ich will auch Roller fahren«, erklärte Mäxchen prompt.
    »Dann geh ich auch mit auf den Hof«, sagte Paulinchen gnädig. »Einer muss ja auf dich aufpassen.«
    Damit war die Sache abgemacht. Ich hatte keine Einwände. Das Tor zur Einfahrt war abgeschlossen, sie konnten also nicht auf die Straße laufen, und sobald ich oben war, würde ich Olga zum Aufpassen runterschicken, schließlich war das die angestammte Aufgabe eines Aupair-Mädchens.
    Doch dazu hätte das Aupair-Mädchen erst einmal anwesend sein müssen. Die Wohnung war schnell abgesucht – Olga war verschwunden. Eine Nachricht, wo sie abgeblieben war, fand ich auch nicht. Sofort machte sich nagende Besorgnis in mir breit, denn bei dieser Gelegenheit wurde mir klar, dass ich keine einzige Telefonnummer hatte. Weder die von Olga noch die von Jennifer. Ich kannte ja nicht einmal Jennifers Adresse.
    Beunruhigt ging ich wieder nach unten, um nach den Kindern zu sehen, denn zu lange wollte ich sie nicht ohne Aufsicht lassen. Im Treppenhaus lief ich schon wieder Adrian Köhler über den Weg, der mit einer Mülltüte aus seiner Wohnung kam.
    »Hallo«, sagte er freundlich und überließ mir auf der Treppe den Vortritt. Ich widerstand dem Impuls, einen Blick über die Schulter zu werfen, um nachzusehen, wohin er gerade schaute. Es fehlte noch, dass ich mir über solchen Blödsinn Gedanken machte. Schweigend ging ich die Treppe runter.
    »Alles in Ordnung bei Ihnen und den Kindern?«, fragte seine tiefe Stimme dicht hinter mir.
    Ich zuckte zusammen. »Oh, ja, alles bestens«, behauptete ich. In Wahrheit fragte ich mich, wieso ich so dämlich hatte sein können, mir nicht Olgas und vor allem Jennifers Telefonnummer aufzuschreiben. Und die von Jennifers Mann, nur zur Sicherheit. Olga hatte garantiert alle wichtigen Nummern auf ihrem funkelnagelneuen iPhone.
    Adrian Köhler folgte mir auf den Hinterhof, und auch, nachdem er seine Mülltüte entsorgt hatte, machte er keine Anstalten, wieder ins Haus zurückzugehen, sondern zündete sich eine Zigarette an, während ich einfach nur herumstand und den Kindern beim Spielen zusah. Eigentlich musste niemand auf sie aufpassen, hier konnte nicht viel passieren. Aber neben vielen anderen nützlichen Erfahrungen aus meiner Zeit als Erzieherin hatte ich eine besonders wichtige Erkenntnis mitgenommen: Kinder konnten hinfallen und sich dabei verletzen. Oder von anderen Kindern umgeschubst werden und sich dabei verletzen. Oder auf einen Baum klettern und runterfallen und sich verletzen. Sie konnten sich sogar beim Malen verletzen, indem sie sich Wachsmalkreide in die Nase steckten und dabei die Spitze abbrachen, die nur ein Facharzt wieder zutage fördern konnte. Kurzum, sie konnten sich auf alle nur erdenklichen Arten Schaden zufügen, und deswegen lautete die oberste Regel für die verantwortliche Aufsichtsperson, dass man kleinere Kinder nicht aus den Augen lassen durfte.
    Mein Seufzen war so laut, dass Adrian Köhler es hörte. »Sie sehen irgendwie entnervt aus«, sagte er. In einer Wolke aus Zigarettenqualm trat er näher.
    »Das liegt sicher daran, dass ich entnervt bin .«
    »Warum?«
    »Weil ich die verantwortliche Aufsichtsperson bin.«
    »Für mich sieht es so aus, als könnten die Kinder prima ohne Aufsicht spielen.«
    »Das täuscht. Sie würden sich wundern, was alles passieren kann. Sogar bei den harmlosesten Spielen.«
    »Klingt, als hätten Sie Erfahrung.«
    »Die habe ich. Ich habe früher mal in einem Kindergarten gearbeitet. Es ist schon

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