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Ich bin alt und brauche das Geld

Ich bin alt und brauche das Geld

Titel: Ich bin alt und brauche das Geld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Völler
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Übersetzt bedeutete das Lasst uns gesund bleiben.
    » Budjem sdorowy«, erwiderte ich.
    »Das müssen wir noch üben«, meinte sie.
    Und das taten wir dann auch, bis ich es absolut perfekt hinkriegte.
    Ich fand, dass die Russen einen wirklich schönen Trinkspruch hatten. Und er wirkte sogar. Mein Herz schlug nach ein paarmal Zuprosten so langsam, dass ich es so gut wie gar nicht mehr merkte. Beim dritten Glas fühlte ich an meinem Handgelenk, ob ich überhaupt noch Puls hatte.
    »Lebst du noch?«, wollte Olga wissen.
    Mittlerweile wusste ich, woher sie so gut Deutsch konnte – ihre Großmutter stammte aus Magdeburg. Außerdem hatten wir Brüderschaft getrunken. Sie war allerdings schon zwei Gläser weiter als ich (irgendwie hatte ich nicht mitgekriegt, wie wir die zweite Flasche angebrochen hatten), und ihre Stimme klang etwas gutturaler als sonst. Doch sonst zeigte sie keinerlei Ausfallerscheinungen. Für so ein zierliches Persönchen zeigte sie ein erstaunliches Fassungsvermögen.
    Auf ihre Frage hin nickte ich nachdrücklich, und als ich merkte, dass mein Kinn dabei auf meiner Brust liegen blieb, kam ich zu dem Schluss, dass es höchste Zeit fürs Bett war. Die Kinder schliefen schon lange, und während ich grübelte, ob ich überhaupt daran gedacht hatte, sie zum Zähneputzen anzuhalten (mein Kurzzeitgedächtnis war anscheinend schon vor mir eingeschlafen), schleppte ich mich von der Küche ins Schlafzimmer und fiel ins Bett. Ohne Zähneputzen. Aber morgen war ja auch noch ein Tag.
*
    Am nächsten Morgen regnete es, weshalb ich mit den Kindern nicht rauskonnte. Der Mangel an frischer Luft in Verbindung mit fehlender Bewegung machte sich bald bemerkbar – in Form von geballt ausbrechendem Chaos. Mein Wohnzimmer verwandelte sich in einen von Radau und Spielzeug erfüllten Kriegsschauplatz. Die Kinder zankten sich um die nichtigsten Dinge, beispielsweise darüber, wer von ihnen beiden als Nächstes Geburtstag hatte. Natürlich wusste Paulinchen es besser als ihr Bruder, sie konnte schon die Monate auseinanderhalten. Sie hatte im Januar Geburtstag und er im Februar, aber Mäxchen wollte nicht einsehen, dass es bis zu seinem Geburtstag länger dauerte als bis zu dem seiner Schwester. Am meisten regte es ihn auf, dass sie früher Geschenke bekommen würde. Unter seinem Wutgebrüll wackelten die Wände, weshalb ich kaum mein eigenes Wort verstand, als Doro nach dem Frühstück anrief.
    »Bei dir ist es aber echt laut!«, rief sie.
    »Das kannst du laut sagen!«, gab ich gequält lachend zurück.
    »Dirk wollte fragen, ob du schon bei dem Delikatessenladen angerufen hast.«
    Anstelle einer Antwort hielt ich den Hörer am ausgestreckten Arm vor Mäxchens kreischend aufgerissenen Mund.
    »Okay, verstehe, bei diesem Krach kannst du schlecht geschäftlich telefonieren!«, rief Doro. »Aber eigentlich rufe ich auch eher an, weil ich wissen wollte, ob ich dir helfen kann!«
    »Wobei denn?«
    »Na, bei den Vorbereitungen fürs Abendessen!«
    »Der Januha ist nich eher!«, schrie Mäxchen. »Du lügst!«
    »Wohl wahr!«, schrie Paulinchen zurück. »Wohl wahr! Wohl wahr!«
    Ich hielt mir das freie Ohr zu. »Welches Abendessen?« Dann fiel es mir wieder ein. Ich hatte mit Doro ausgemacht, dass sie und Dirk an diesem Tag bei mir zum Essen vorbeikommen sollten. Zum Ausgleich dafür, dass ich mich nach der Zwangsräumung dauernd bei ihnen herumgedrückt hatte, und für die Hilfe, die sie mir so vielfältig hatten angedeihen lassen.
    »Na ja«, sagte ich. »Die Kinder …« Das Ende des Satzes ließ ich möglichst bedeutungsschwanger in der Luft hängen, Doro konnte es sich gerne selbst dazudenken – Die Kinder machen nette Abendessen mit Freunden gerade etwas schwierig . Oder: Die Kinder kosten mich momentan den letzten Nerv, da will ich abends einfach nur meine Ruhe haben.
    Aber Doro rief nur fröhlich: »Super, dann komme ich nach der Arbeit vorbei und helfe dir. Ich bring auch die Zutaten mit, du brauchst dich um nichts zu kümmern!«
    »Aber …«
    Sie unterbrach mich. »Außer, deinen Vermieter einzuladen. Ich bestehe darauf, ihn kennenzulernen. Am besten gehst du jetzt direkt runter und fragst ihn.«
    »Aber …«
    »Oh, es klingelt an der Tür, das sind die Schuhe, die ich bestellt habe. Ich muss Schluss machen. Bis später dann! Ich bin spätestens um fünf bei dir. Essen gibt es um sieben. Und sag unbedingt Adrian Bescheid. Tschüss!« Sie legte auf.
    Bei mir klingelte es ebenfalls an der Tür. Olga, die gerade mit

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