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Ich bin alt und brauche das Geld

Ich bin alt und brauche das Geld

Titel: Ich bin alt und brauche das Geld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Völler
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bremsen. Wenn er sich einmal auf eine Fährte gesetzt hatte, ließ er sich nicht so schnell davon abbringen.
    »Tja, wenn das Geld alle ist, hat man ein echtes Problem«, sagte ich geistesabwesend. »Dann ist man nämlich … pleite.«
    Mit einem Mal verspürte ich einen ersten Anflug von Angst. Ich sah vielleicht ein bisschen so aus wie eine beliebte deutsche Schauspielerin, aber dafür konnte ich mir in meiner Lage kaum was kaufen. Was war, wenn ich die Stelle nicht kriegte? Und anschließend auch keine andere mehr? Ich war fast fünfzig. Mein Verfallsdatum als kompetente, dynamische, belastbare, vielseitig einsetzbare und auch sonst in jeder Hinsicht perfekte Arbeitskraft war schon vor ungefähr zwanzig Jahren abgelaufen.
    Andererseits – ich hatte heute bereits meine Dosis Dreifach-Pech gehabt, oder nicht? Es konnte eigentlich nur besser werden.
    Doch leider fing es schon schlecht an.
    Der Laden gefiel mir nicht. Da war mein Geschäft in Kassel deutlich ansprechender gewesen. Zwar um einiges kleiner als dieses hier, aber dafür liebevoller und origineller eingerichtet, mit einem großen alten Weinfass, das ich zum Probierstand umfunktioniert hatte, einem bunten Murano-Lüster als Deckenschmuck, einem knorrigen, echten Rebstock im Fenster und einer schönen Eichentheke aus dem neunzehnten Jahrhundert.
    Hier fehlte jede Individualität. Regale mit Pestogläsern und zu viel bunter Pasta in angeberisch großen Beuteln, eine Kühltheke mit überteuertem Parmesan und Parmaschinken – überall nur pseudo-italienische Lebensart. In einer Ecke war ein Weinstand aufgebaut, aber ich sah schon von Weitem, dass dort nichts Besonderes angeboten wurde.
    »Das sind also gar nicht Ihre Kinder?«, wollte mein potenzieller künftiger Arbeitgeber wissen. Er hieß Hosenfeld, war ungefähr in meinem Alter und trug einen verdrossenen Gesichtsausdruck zur Schau, was wahrscheinlich daran lag, dass ich vor lauter Aufregung schon zwei Mal aus Versehen Herr Hodenfels zu ihm gesagt hatte. Er war fassförmig gebaut und hatte Augenbrauen, die über der Nase zusammengewachsen und schwärzer waren als die von Ernie und Bert. Außerdem hatte er einen nervösen Tick, den ich erst mit Verzögerung als solchen erkannte. Zuerst dachte ich, er würde mich freundlich anzwinkern, mit einem wohlwollenden Blick, der sein volles Einverständnis damit ausdrückte, dass ich die Kinder mitgebracht hatte. Doch dann fragte er als Erstes – gleich nach dem Händeschütteln –, was das für Kinder seien. Und dabei sah er nicht freundlich aus. Er zwinkerte auch nicht etwa, sondern hatte ein zuckendes Auge.
    »Nein, ich bin nicht die Mutter«, sagte ich und bemühte mich, nicht auf das Auge zu sehen. »Ich passe nur für ein paar Tage auf die beiden auf, höchstens bis zum Ende der Woche.«
    »Ach so.« Zuck. »Ich dachte, es wären Ihre.« Zuck. »Die zwei sollen mal besser nicht so nah an das Regal gehen. Das sind Gläser mit sehr hochwertigem Pesto.« Zuck. »Und Sie wissen, dass Sie in dem Punkt eine Wahrheitspflicht haben, oder?«
    Ich zwang mich zu einem sonnigen, falschen Lächeln. »Was meinen Sie damit?«
    »Bei der Frage nach Kindern. Ob Sie welche haben oder noch welche wollen.«
    Jetzt war mein Grinsen echt. »Hören Sie, ich werde fünfzig. Es soll zwar vereinzelt auf der Welt Frauen geben, die in dem Alter noch Kinder kriegen, aber ich gehöre ganz sicher nicht dazu. Und die beiden sind definitiv nicht meine. Auch sonst bin ich absolut kinderlos, das kann ich Ihnen gern schriftlich geben.« Ich merkte, dass das nicht besonders zuvorkommend klang, aber ich war sowieso schon bedient.
    Paula und Mäxchen hatten die ganze Zeit brav im Hintergrund gewartet. Meiner Bitte, sich still in die Ecke zu stellen, bis ich mit dem Gespräch fertig war, waren sie geradezu mustergültig nachgekommen. Doch jetzt meldete sich Paulinchen zu Wort. Sie hatte die Unterhaltung verfolgt und offenbar auch begriffen, wovon die Rede war, denn sie sprang für mich in die Bresche.
    »Wir haben eine eigene Mama«, sagte sie. »Charlotte passt nur auf uns auf, bis sie wiederkommt.«
    »Ich hätte Sie für jünger gehalten«, sagte Herr Hosenfeld. Zuck. »Ich wusste nicht, dass Sie schon so …« – zuck – »… reif sind.«
    Ich kam mir vor wie ein fauliger, schrumpeliger Apfel und hatte keine Ahnung, was ich darauf antworten sollte.
    »Ssarlotte ist lieb«, erklärte Mäxchen mit großer Bestimmtheit. Nachdenklich blickte er Herrn Hosenfeld an. »Der Mann hat ein ekliges

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