Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich bin alt und brauche das Geld

Ich bin alt und brauche das Geld

Titel: Ich bin alt und brauche das Geld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Völler
Vom Netzwerk:
mögen.
    »Auch ein Gläschen?« Sie holte die Flasche unter dem Klappstuhl hervor, und ich stellte fest, dass es sich nicht um Prosecco handelte, sondern um Champagner. Sehr, sehr teuren Champagner in einer Magnumflasche. Den konnte sie unmöglich allein trinken. Es wäre eine Sünde, den Rest bis morgen stehen zu lassen.
    Ich sah auf die Uhr. Schon nach halb sechs. Da war ein Gläschen zulässig.
    »Gerne«, sagte ich.
    Sie stand auf. »Ich hol Glas.«
    Es wurde ein sehr gemütlicher Spätnachmittag. Natascha sah mir beim Sieben zu – immer noch kein Schlüssel –, und als ich fertig war, tranken wir Champagner und redeten über Gott und die Welt. Natascha erzählte mir von Sankt Petersburg, wo sie aufgewachsen war und wo heute noch ihre Eltern und jüngeren Geschwister lebten.
    »Vermisse furchtbar«, sagte sie traurig und legte sich die Hand aufs Herz. Ihr Akzent kam in diesem gefühlsbetonten Moment noch viel stärker durch. Sie beschrieb mir mit melancholischem Blick ihre Heimatstadt, und ihre Schilderungen waren so farbenfroh, dass ich sofort Lust bekam, selbst einmal dorthin zu fahren.
    Als es Zeit fürs Abendessen wurde, wechselten wir vom Hinterhof nach oben in meine Wohnung, wo Natascha uns den restlichen Champagner einschenkte, während ich den Tisch deckte und Brot schnitt. Es ergab sich von ganz allein, dass sie zum Essen blieb.
    Die Kinder mochten Natascha, und Natascha mochte die Kinder. Irgendwann, so vertraute sie mir an, wollte sie selbst auch welche. Mindestens vier, zwei Jungs und zwei Mädchen.
    »Muss nur noch finden gute Mann«, sagte sie.
    Nach dem Essen wurde es für die Kinder Zeit, ins Bett zu gehen, und Natascha bot sich an, mir beim Zähneputzen, Kämmen und Waschen zu helfen, und sie legte auch Hand beim Einsammeln des überall verstreuten Spielzeugs an.
    »Habe ich bei kleine Brüder früher auch immer gemacht«, erklärte sie.
    Ich war dankbar für ihre Hilfe. Bei der Gelegenheit fiel mir auf, dass Olga noch nicht zurück war. Es war fast acht Uhr, die Schule konnte unmöglich so lange gedauert haben. Doch Natascha beruhigte mich. »Kurs ist bei VHS. Ist immer abends.«
    Na toll. Was hatte Olga dann den ganzen Nachmittag über gemacht? Als Hilfe bei der Kinderbetreuung war sie, man konnte es nicht anders sagen, ein Totalausfall, und ich fragte mich, ob Jennifer das wohl gewusst hatte, als sie sie mitsamt den Kindern bei mir abgeladen hatte.
    Bei dem Gedanken an Jennifer fiel mir wieder ein, dass ich ihr noch schreiben wollte, um ihr etwas von dem Druck zu nehmen, unter dem sie stand. Viel konnte ich zwar nicht tun, aber ich wollte wenigstens versuchen, sie wegen der Kinder zu beruhigen. Egal, wie anstrengend es für mich war, dass sie ihre Rückkehr immer wieder verschob – mein Mitleid mit ihr war stärker.
    »Kann ich dich mal fünf Minuten allein lassen?«, fragte ich Natascha.
    Anstelle einer Antwort hob sie ihr Champagnerglas und prostete mir zu.
    »Kommt her, ihr zwei«, sagte ich zu Paulinchen und Mäxchen. »Setzt euch mal nebeneinander aufs Sofa. Und jetzt bitte ganz doll lachen.«
    Und das taten sie auch prompt, während ich mit meiner Handykamera ein Foto von ihnen schoss. Zwei herzige kleine Blondschöpfe, Paula im Barbie-Nachthemdchen und Mäxchen im Häschen-Schlafanzug, die Gesichter glänzend vor Sauberkeit und das Haar frisch gekämmt.
    Ich lud das Bild auf meinen Laptop, um es an Jennifers Mailanschrift zu senden.
    Dazu schrieb ich ein paar Zeilen, möglichst unverfänglich und zuvorkommend. Sie sollte einfach nur wissen, dass es den Kindern gutging und dass sie sich um die zwei keine Sorgen machen musste.
    Liebe Jennifer,
    ich hoffe, Du bist wohlauf. Nachdem ich seit gestern keine Geburtsnachricht erhalten habe, gehe ich davon aus, dass die Wehen falscher Alarm waren. So was passiert manchmal, habe ich mir sagen lassen. Ich kann mir gut vorstellen, dass Du Dich nach diesem Stress noch nicht reisefähig fühlst. Nimm Dir die nötige Zeit, Dich zu erholen. Sicher vermisst Du die Kinder sehr, aber Deine Gesundheit geht jetzt vor. Damit Du auch ein bisschen was von den beiden hast, hänge ich das Foto an, das ich gerade eben von ihnen gemacht habe. Sie umarmen Dich in Gedanken und freuen sich schon auf ihre Mama und das neue Geschwisterchen.
    Hier klappt alles bestens. Olga ist wieder da, sie hatte bei Bekannten übernachtet und nur vergessen, mir Bescheid zu sagen. Die Kinder sind wirklich goldig und unglaublich aufgeweckt, aber auch sehr brav. Mäxchens erste Tage

Weitere Kostenlose Bücher