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Ich bin alt und brauche das Geld

Ich bin alt und brauche das Geld

Titel: Ich bin alt und brauche das Geld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Völler
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wie sie dort hockte und in ihr Spiel versunken war. Eines Tages würde die Kleine eine ebenso umwerfende Schönheit werden wie Jennifer. Das zart geschnittene Gesicht, die türkisblauen Augen, das leuchtend blonde Haar – beide waren wie aus einem Guss. Und nicht nur das fiel mir auf. Sowohl Jennifer wie auch Paula wiesen gewisse Züge von Klaus auf. Die Ähnlichkeit war nicht so offenkundig, dass sie einen stutzen ließ, aber wenn man länger und genauer hinsah, konnte man sie entdecken. Ich stellte mir Jennifer vor, als kleines Mädchen, ein Ebenbild von Paulinchen. Ob Klaus jemals, so wie ich jetzt, reglos in der Tür gestanden und sie angesehen hatte, erfüllt von Zuneigung und vielleicht auch von der Sorge, ob eine glückliche Zukunft auf sie wartete? Wie schon einmal spürte ich einen Hauch von Mitleid. Mit Klaus, mit Jennifer und den Kindern. Es würde wohl immer ein Rätsel bleiben, warum manche Menschen ihre Chance auf Glück und Liebe verspielten, statt sie mit beiden Händen zu ergreifen und nie wieder loszulassen.
    Nie wieder … Plötzlich hatte ich einen Kloß im Hals. Egal, was Jennifer gerade in London trieb – sie würde nicht mehr lange auf sich warten lassen, die Sehnsucht nach den Kindern machte sie krank, ich wusste genau, wie es sie innerlich zerriss. Unvermittelt beschloss ich, etwas dagegen zu unternehmen. Heute noch.
    Doch zuerst musste ich noch einen wichtigen Termin wahrnehmen. Von irgendwas musste ich ja künftig leben.
*
    »Normalerweise jederzeit, und das weißt du«, sagte Doro am Telefon, als ich sie fragte, ob sie für zwei Stunden auf die Kinder aufpassen könne. »Aber heute habe ich drei wichtige Kundinnen, die muss ich selbst behandeln, weil Elsbeth Magen-Darm hat.« Elsbeth kam aus Polen und war Doros rechte (und linke) Hand in der Praxis, die beste Physiotherapeutin, mit der sie je gearbeitet hatte, und ihr Ausfall bedeutete für Doro doppelte Arbeit. »Tut mir echt leid«, sagte sie bedauernd. »Aber du kannst meinen Wagen haben, wenn du willst. Ich kann auch mal die Straßenbahn nehmen. Da fällt mir ein: Was ist mit Olga? Warum kann die nicht aufpassen?«
    »Sie hat heute Schule.«
    »Wieso muss sie zur Schule? Sie hat doch behauptet, sie wäre volljährig.«
    »Zu mir hat sie gesagt, alle Aupairs müssten zur Schule, das wäre Vorschrift.«
    »Was lernt sie denn da?«
    »Deutsch.«
    »Sie kann doch schon perfekt Deutsch. Hat sie dir nicht sogar erzählt, dass sie eine deutsche Oma hat?«
    »Ja, aber sie hat Anspruch auf einen Kurs. Das gehört zum Austausch- und Bildungsprogramm.«
    »Ich wette, sie trifft sich mit ihrem Freund.«
    Darauf hätte ich ebenfalls gewettet, doch das half mir nicht weiter. Ich hatte ein Vorstellungsgespräch, mein erstes und vor allem bisher einziges seit dem großen Debakel, und ich wollte auf jeden Fall hingehen. Nein, ich musste hingehen, denn Dirk hatte verlauten lassen, dass es noch drei andere Bewerberinnen gab. Wenn ich absagte, würden die mir den Job vor der Nase wegschnappen, so viel stand fest. Ganztagsstellen im Fachverkauf waren rar, meist wurde auf Teilzeit- oder Vierhundert-Euro-Basis gearbeitet.
    »Leider bin ich heute Nachmittag nicht da«, sagte Adrian, den ich anrief, nachdem ich mit Doro telefoniert hatte. »Wichtiger Termin beim Hessischen Rundfunk. Es geht um ein Tatort-Drehbuch, für das ich ein Treatment geschrieben habe. Wahrscheinlich bin ich gegen sechs wieder da. Das wäre sicher zu spät, oder?«
    »Ja, ich muss um drei Uhr hin. Aber das ist kein Problem. Frau Ansari kann bestimmt aufpassen, die ist sowieso immer zu Hause.«
    »Gibt es schon was Neues in Sachen Schlüssel-Sieben?«, erkundigte Adrian sich.
    Ich musste lachen. »Bis jetzt noch nicht. Aber ich halte dich auf dem Laufenden.«
    »Morgen kommen übrigens ein paar Handwerker, die sollen mit dem Badezimmer anfangen, damit es mit der Renovierung endlich mal weitergeht. Ihr könnt natürlich während der Arbeiten jederzeit mein Bad benutzen. Ich habe ja zwei davon. Das eine hab ich schon für euch frei geräumt.« Er hielt kurz inne, dann fügte er hinzu: »Wenn es dir recht ist.«
    »Ja, gerne«, sagte ich. Es klang ein bisschen atemlos.
    »Für das Vorstellungsgespräch wünsche ich dir viel Glück.« Adrian räusperte sich. »Und ich freu mich schon auf Samstag.«
    Das tat ich auch, und zwar sehr. Aber allmählich wurde mir wegen meines anstehenden Vorstellungstermins etwas mulmig, denn ich war ein Anhänger der These, dass das Sprichwort Aller guten Dinge

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