Ich bin an deiner Seite
nicht so schwer, wenn man sich erst dran gewöhnt hat. Ein bisschen so, als würde man unter Wasser sprechen.«
Matties Blick glitt über Hollys perfekt sitzende Haare, ihre weiße Strumpfhose und ihren karierten Rock. Mattie wünschte, sie könnte auch Mandarin sprechen oder jeden Tag mit einem Rollband zur Schule fahren. Sie sah sich zu ihrem Vater um, der sich mit Georgia unterhielt. »Wohnst du gerne hier?«, fragte Mattie und beobachtete einen gelben Doppeldeckerbus, der auf einer nahe gelegenen Straße vorbeifuhr.
Holly nickte lächelnd. »Weißt du noch, wie wir in Disneyworld waren? Hongkong ist wie Disneyworld. Es gibt nur keine Micky Maus.«
»Oder Aurora.«
»Oder Ariel oder Jasmin oder Belle oder Schneewittchen.«
Mattie lachte. »Vielleicht sollten wir uns verkleiden, so wie früher.«
»Wir könnten eine Tanzparty veranstalten. In unserer Wohnung. Du kannst dir eins von meinen chinesischen Kleidern ausleihen.«
»Wirklich?«
Holly rief einer Gruppe von Mädchen etwas zu, die ein langes Seil in der Mitte eines Maschendrahtzauns befestigt hatten, der am Rand eines Parkplatzes stand. Ein Mädchen hielt das andere Ende des Seils und schwang es immer im Kreis. Zwei Mädchen sprangen ungefähr in der Mitte über das Seil, während zwei andere Mädchen in der Nähe warteten. »Das sind meine Freundinnen«, sagte Holly. »Möchtest du sie kennenlernen?«
»Okay.«
Holly fragte ihre Mutter, ob sie für ein paar Minuten spielen gehen konnten. Sie hielt weiter Matties Hand und führte sie weg von dem Weg, an einer Reihe von Open-Air-Restaurants vorbei zu dem Parkplatz. Als sie auf dem fast leeren Platz standen, begrüßte sie ihre Schulkameradinnen auf Mandarin und fügte dann auf Englisch hinzu: »Das ist meine Freundin Mattie. Aus New York City.«
Die Mädchen – die alle Schuluniformen aus ärmellosen grauen Kleidern mit blauen Blusen und braunen Krawatten trugen – hörten auf zu springen und begrüßten Mattie auf Englisch. Mattie war überrascht, wie adrett sie alle aussahen mit ihren sorgfältig gescheitelten Haaren, den weißen Socken und den schwarzen Schuhen. Sie kam sich dumm vor in ihrer alten Jeans, dem T-Shirt und den schiefen Zöpfen. Während sie sich wünschte, ihre Mutter hätte sie heute Morgen angezogen, begrüßte Mattie die Mädchen und stellte sich hinten in der Reihe an. Sie bemerkte, dass ihr Vater sie aufmerksam beobachtete.
Bald drehte sich das Seil wieder durch die Luft. Hollys Freundinnen lachten, sprangen mit zwei Füßen oder einem und drehten sich herum und herum, während sie einen Satz auf Englisch wiederholten, der Mattie kichern ließ. Als sie mit Springen an der Reihe war, stellte sie sich neben das Seil und beobachtete, wie es über und neben ihr herumsauste. Sie wartete auf den perfekten Moment, und Holly und die anderen fingen an zu singen: »Feuer, Feuer, Fehlalarm. Mattie fiel in Bobbys Arm. Wie viele Küsse hat sie bekommen? Ein, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben, acht …«
Matties Füße verfingen sich im Seil und die Mädchen hörten sofort auf zu singen. Holly kicherte und strich Mattie über die Wangen, die rot geworden waren. »Meine Freundinnen sind albern«, sagte sie. »Wir machen das immer in der Schule, denken uns immer neue Lieder aus. Lied nach Lied nach Lied.«
»Spring du«, sagte Mattie, weil sie unbedingt mitsingen wollte.
Holly sprang und lachte, während die Stimmen ihrer Freundinnen lauter wurden und das Seil sich schneller drehte. Sie sprang, bis auch sie hinfiel, und die Mädchen wechselten sich erneut ab. Drei Meter entfernt beobachtete Ian das Spiel lächelnd, froh darüber, dass er sich dazu entschlossen hatte, Kontakt zu Georgia aufzunehmen.
Die Freundinnen lachten und sangen weiter, bis eine Frau von irgendwo über ihnen etwas rief. Zwei der Mädchen antworteten, und nachdem sie sich verabschiedet und das Seil aufgewickelt hatten, liefen sie zum Rollband. Holly und Mattie verabschiedeten sich von den übrigen Mädchen und folgten dann Georgia und Ian zurück zu dem Weg. Sie gingen weitere fünf Minuten den Berg hinunter, bevor das Rollband endete. Der Boden war jetzt flach, und es gab jede Menge Wolkenkratzer.
Georgia führte sie zu einem Gebäude aus Stahl und Glas. Sie nahmen den Fahrstuhl in das Restaurant im obersten Stock, von wo aus man einen Teil des Hafens überblicken konnte. Hunderte von gut angezogenen Gästen waren um die lackierten Tische versammelt, auf denen Suppen, ganze Fische, Teigtaschen, gedämpftes
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