Ich bin an deiner Seite
»Du hast das Gleiche getan.«
»Ich bin weggelaufen.«
»Nein. Das hast du überhaupt nicht getan. Was du gemacht hast, erfordert einen Haufen Mut. Und sieh dich an … so schick und weltgewandt. Eine internationale Bankerin. Ein wunderbares Mädchen an deiner Seite. Was du auch gemacht hast … es hat ziemlich gut funktioniert. Und ich schätze, das war kein Zufall.«
Georgia lächelte, während Mattie ein Vogelnest zeichnete. »Sie ist gut. Richtig gut.«
»Da hast du recht, obwohl ich keine Ahnung habe, woher sie das Talent hat. Weder Kate noch ich konnten ein vernünftiges Strichmännchen malen.«
»Papa hat zwei linke Hände«, sagte Mattie kichernd.
»Pass bloß auf, du kleine Kröte.«
Die Kellnerin kam mit dampfenden Appetithäppchen zurück und schon kurz danach mit einem Tablett mit einer überdimensionierten Menge an Vorspeisen. Das Essen wurde abgestellt und verteilt. Mattie aß den Wolfsbarsch, die Glas-Shrimps, das süßsaure Bok Choy – alles außer der Schlangensuppe. Wie ein Dutzend Familien um sie herum lächelten Ian, Mattie, Georgia und Holly und erzählten sich Geschichten und aßen die seit Generationen überlieferten Rezepte, während draußen der Himmel dunkler wurde.
Nach dem Essen traten sie aus dem Gebäude, und Mattie und Holly bettelten darum, sich am nächsten Tag noch einmal sehen zu können. Da es ein Samstag sein würde, hatte Georgia nichts dagegen. Ian stimmte ebenfalls zu, und sie berieten sich, um ihr Treffen genauer zu planen. Schließlich verabschiedeten sie sich voneinander, und Mattie und Holly umarmten sich wie zwei beste Freundinnen. Dann nahmen sich Georgia und Holly ein Taxi, weil sie noch bei einer Buchhandlung vorbeigehen wollten, und Mattie und Ian gingen zu den Rollbändern, die alle nach oben führten.
Mattie nahm die Hand ihres Vaters, ging mit ihm über eine Straße und betrat ein Rollband. »Das war lustig«, sagte sie und wippte mit den Füßen vor und zurück und erinnerte ihn an das zappelige kleine Mädchen, das sie einmal gewesen war.
»Holly ist nett, oder?«
»Sie bringt mich zum Lachen.«
»Ich schätze, ihr bringt euch gegenseitig zum Lachen.«
Mattie nickte. »Papa?«
»Was, Schatz?«
»Ich glaube … ich glaube, Mami freut sich, dass wir hier sind.«
»Glaubst du? Wieso kommst du darauf?«
Mattie spitzte die Lippen, während das Rollband weiter den Berg hinauflief. »Weil wir es ihr erzählt haben. Wir haben ihr unsere Nachrichten in den Wunschbäumen hinterlassen. Und ich bin sicher, dass sie sich darüber freut, sie zu sehen.«
Ian hörte die Unschuld, die Schönheit und das Vertrauen in Matties Worten. Er wollte das auch denken, wollte glauben, was sie glaubte. Er spürte die Weichheit ihrer Hand in seiner, ihre kleine Handfläche, die so selbstverständlich in seine passte. Sie war ein Teil von ihm und ein Teil von Kate und die beste Verbindung zu dem, was von ihnen übrig war. Als er an diese Verbindung dachte, fragte er sich, ob Mattie Dinge verstand, die er nicht verstand, ob ihre Verbindung zu Kate in diesem Moment stärker war als seine.
Er drückte ihre Hand. »Ich habe ein paar gute Wunschbäume hier gesehen, oben in den Bergen.«
»Ich auch.«
Er beugte sich herunter und küsste ihre Stirn. »Möchtest du auf meinen Schultern reiten, Schatz?«
»Klar, Papa.«
Er hob sie hoch, über seinen Kopf, und legte ihre Beine über seine Schultern. »Wie wäre es, wenn wir uns irgendwo ein Eis kaufen, Ru? Hast du Lust auf einen kleinen Ausflug, bevor wir ins Hotel zurückgehen?«
»Glaubst du, die haben hier Cookies and Cream?«
»Ich schätze, in dieser Stadt haben sie alles.«
»Dann lass uns gehen.«
»Aye, aye, Erster Maat«, sagte er und hielt ihre Beine fest, während er vom Rollband herunter in eine Welt trat, die ihn immer noch verwirrte und erstaunte, als wäre er ein zehnjähriger Junge und nicht ein Mann, der vier Jahrzehnte hatte kommen und gehen sehen.
***
Um halb zehn am nächsten Morgen trafen sich Ian und Mattie mit Georgia und Holly oben an einem der Hauptrollbänder. Die Mädchen umarmten sich zur Begrüßung. Ians und Georgias Umarmung war viel steifer – ein erzwungenes Zusammenkommen von zwei Körpern und zwei Seelen, die nicht wussten, was sie miteinander anfangen sollten. Dann betraten die vier zusammen mit einem nicht abreißenden Strom von Einheimischen das Rollband und begannen ihren Abstieg in Richtung Stadt. Sie hatten beschlossen, auf einem von Hongkongs berühmtesten Märkten einzukaufen und
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