Ich bin da noch mal hin
ihnen Autogramme gegeben, stimmt’s?«
»Ja«, gesteht er schuldbewusst.
»Hans!«, sage ich verwirrt. »Wer bist du?«
Die deutschen Pilger schauen immer noch zu uns her, aber jetzt freundlicher, und ich lächle zurück, während Hans mir erklärt, was sie bereits wissen.
»Möchtest du noch ein Bier?«, fragt Hans, der weiß, dass ein kleiner Schluck bei dieser unerwarteten Wendung der Dinge nicht schaden kann.
»Ja, bitte. Danke.«
»Also, Anne, wie bereits gesagt, ich bin Komiker«, erklärt er, während er mein Bier und ein Mineralwasser für sich auf den Tisch stellt.
»Ja, aber warum wissen diese Leute, wer du bist? Ich würde kaum einen englischen Komiker erkennen. Außer, ich hätte ihn im Fernsehen gesehen.«
»Na ja, sie haben mich in Deutschland in einer Fernsehsendung gesehen.«
»Ach so. Was für eine Sendung?«
»Eine deutschlandweit ausgestrahlte Sendung.«
»Wie, eine eigene Sendung?«
»Ja.«
»Verstehe.«
Einen Augenblick lang bleibe ich still und verdaue die Neuigkeit.
»Willst du damit sagen, dass dich in Deutschland jeder kennt?«
»Nicht ganz. Nur die Leute, die meine Sendung sehen.«
»Und wie viele sind das? Läuft deine Sendung im Spätprogramm oder wann?«
»Äh, zur Hauptsendezeit.«
»Nun mal ganz langsam«, sage ich. »Du hast eine eigene Show zur Hauptsendezeit im deutschen Fernsehen. Du bist also in Deutschland ein Prominenter?«
»Ja, Anne, das muss ich zugeben.«
»Wie berühmt bist du genau?«
»Wie soll ich diese Frage beantworten? Schwer zu sagen.«
»Hm, versuchen wir es so. Kennst du irgendwelche britischen Komiker?«
»Ja, ein paar.«
»Okay. Welche britischen Fernsehkomiker sind so bekannt wie du?«
»Hm. Lass mich überlegen … na, ich würde sagen, French and Saunders.«
Ich starre ihn schweigend an. Meint er das ernst?
»Ernsthaft, Hans? Du bist so bekannt wie French and Saunders?«
»Ja, ich glaube schon.«
»Das ist doch ein Scherz, oder?«
Jetzt verstehe ich die Blicke und das nervöse Gekicher der deutschen Pilger, auch wenn ich ihre Aufregung beim Anblick von Hans nicht nachvollziehen kann. Wenn ich allerdings plötzlich Steffi Graf gegenüberstünde, könnte ich mich vielleicht auch nicht mehr normal verhalten. Für mich ist Hans bloß ein Freund auf dem Camino. Ich spüre, wie erleichtert er darüber ist, dass ich nichts von seinem Ruhm weiß. Mit jeder Sprosse der Karriereleiter ist es für ihn wohl schwieriger geworden, normale Freundschaften zu schließen. Das erklärt, warum er in Santo Domingo und León gleich solches Interesse zeigte – er versuchte, mit jemandem in Kontakt zu kommen, von dem er das Gefühl hatte, es könnte eine echte Freundschaft werden. Er suchte nach jemandem, mit dem er sprechen konnte, ohne dass sein Ruhm jede Spontaneität zunichte machte. Er suchte nach jemandem, der keine Ahnung hatte, wer er ist.
»Was für eine Art Komiker bist du, Hans?«, fragte ich nach einer kurzen Weile.
»Ich mache Sketche. Ich gebe mich als jemand anderes aus oder lege Politiker und andere Leute herein.«
»Aha, du spielst Streiche. Du bist also eine Art Lausbub. Nenn mir ein Beispiel.«
»Na ja, einmal habe ich mich als Königin Beatrix der Niederlande verkleidet und hätte es fast geschafft, in Berlin an einemStaatsempfang teilzunehmen. Bevor irgendwer etwas ahnte, war ich schon im Flur. Die echte Königin kam, kurz nachdem man mich rausgeworfen hatte. Ach ja, und bei einem anderen Sketch spielte ein Trabant eine Rolle.«
»Ein Trabi! Mein Lieblingsauto! Was passierte da?«
»Ich rief eine Familie in Ostdeutschland an, die viele Jahre auf der offiziellen Warteliste für einen Trabant gestanden hatte. Ich sagte ihnen: ›Gratuliere! Ihr Trabi ist schon da!‹ Aber: Mensch, Anne, die Mauer war bereits gefallen und die Familie wollte längst keinen Trabi mehr. Sie hatten sich einen neuen, kapitalistischen Peugeot gekauft und waren damit sehr glücklich. Ich erklärte ihnen: ›Na, da können Sie Ihren Peugeot aber vergessen, wo Ihr Trabi jetzt da ist.‹ Ein Abschleppwagen hat dann den Peugeot aufgeladen und ist mit ihm weggefahren.«
»Hans, oh nein!«, warf ich ein. »Das ist doch grausam! Sie haben ihr Auto aber zurückbekommen, oder?«
»Ja, natürlich. Aber in der Zwischenzeit habe ich sie mit dem Trabi spazieren gefahren. Ich sagte: ›Sehen Sie, er hat alle modernen Extras – hier zum Beispiel die Standheizung‹, und zeigte ihnen einen Föhn. ›Und das ist die Hi-Fi-Anlage‹, fuhr ich fort und steckte eine
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