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Ich bin da noch mal hin

Ich bin da noch mal hin

Titel: Ich bin da noch mal hin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Butterfield
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nicht, Oliver. Er sagte es.
    »¡Phugh! ¡Pesa!« (Oh, ist das schwer!)
    Und so hielt ich mich den ganzen Tag an die Straße. Roncesvalles, Pamplona, Puente la Reina und Orchideen standen nun schon auf meiner Liste der »unverzichtbaren Programmpunkte auf dem Rückweg«, die inzwischen mit meinen anderen Listen in der Länge konkurrieren kann. Als Barbara und die anderen wandernden Pilger am Morgen das Flüsschen auf der Römerstraße überschritten, fuhr ich durch die Straßen von Cirauqui. Als sie die mittelalterliche Brücke bei Lorca bewundern konnten, radelte ich auf der NA 1110 entlang dem unübersehbaren Graben, den die A 12 durch Nordspanien zieht. Während meine Freunde zur Burg von Villamayor de Monjardín hinaufstiegen, stand ich an einem Kreisverkehr, der mich bis Logroño auf die A 12 leiten wollte. Irgendwo bei Lorca zog mich ein gelber Camino-Pfeil, der in eine Hecke zeigte, so sehr an, dass ich anhielt und mir den Pfad anschaute, der in sehr waldiges Gelände führte. Als gerade ein weißer Lieferwagen Richtung Logroño an mir vorbeizischte, rutschte mir das Fahrrad aus der Hand und kippte um. Der Lieferwagen bremste scharf, ein Typ in zünftiger Radlermontur sprang heraus und schoss über die dicht befahrene Straße, um der Radfahrerin in Not ritterlich beizustehen.
    »Alles in Ordnung?«, fragte er, hob mein Fahrrad auf und lehnte es gegen den Schilderpfosten.
    »Ja, danke«, log ich und achtete nicht weiter auf das Blut, das dort, wo mich das Fahrrad getroffen hatte, von meinem Knie tropfte.
    Und dann, unvermeidlich – oh nein! Sag es nicht, bitte, sag es nicht! Retter aller Radlerinnen, bitte!
    Er sagte es.
    »¡Phugh! ¡Pesa!«
    Ich versuche, mich zu erinnern, ob die heutige Etappe von Cirauqui mehr zu bieten gehabt hatte als verschwommen im Regen an mir vorbeiziehende Weizenfelder. Ich habe in EstellaStation gemacht, aber nicht, um den Palast der Könige von Navarra zu besichtigen oder die romanische Architektur zu bewundern. Ich saß allein in der Herberge der Gemeinde, wo der schüchterne hospitalero gerade die Böden wischte. Er unterbrach seine Arbeit, um mich mit Kaffee und Schokolade zu bewirten. Ich blätterte in meinem Lozano und entschied mich dafür, Torres del Río als Übernachtungsziel anzusteuern. Erreicht habe ich es nicht. Ich schaffte es kaum aus Estella hinaus. Entschlossen, wenigstens einen Punkt der Strecke mit den Wanderern zu teilen, entschied ich mich, auf meinem Weg zur ungeliebten NA 1110 die Puente de los Peregrinos zu überqueren. Diese sehenswerte Brücke über den Fluss Ega ist nicht weniger eindrucksvoll als die Brücke von Mostar in Bosnien. Ich hatte allerdings vergessen, dass die Steigung zur Flussmitte dreiunddreißig Prozent beträgt. Und dass sie dann zum anderen Ufer hin ebenso steil abfällt. Eine Touristengruppe hielt im Foto fest, wie ich tapfer mein Fahrrad zum Brückengipfel schob. Huldvoll erwiderte ich ihr schuldbewusstes Lächeln, das verriet, wie unterlegen sie sich mir gegenüber fühlten, einer echten Pilgerin auf einer Pilgerbrücke.
    »¡Buen Camino!«, rief mir eine Frau im Anorak zu, die mich besonders mitleidig ansah.
    »¡Muchas gracias!«, antwortete ich.
    Erst als sie außer Sichtweite waren, schlitterte ich auf der anderen Seite hinunter. Jetzt weiß ich, wie sich Klaus Kinski gefühlt haben muss, als sie in »Fitzcarraldo« das Schiff über den Bergrücken schleppten.
    Das schmale Sträßchen nach der Puente de los Peregrinos führt zu einem Kreisverkehr, der die Fahrzeuge stockend in die ungeliebte NA 1110 spuckt. Ich radelte den Hügel hinauf zu der riesigen Klosteranlage von Irache, die von ausgedehnten Tempranillo-Weinfeldern umgeben ist. Vor neun Jahren habe ich hier meine Wasserflasche mit dem Gratiswein gefüllt, den man sich aus den in die Wand des Klosters eingelassenen Hähnen zapfen kann, und mit zwei Londoner Pilgern darüber gescherzt, dass wir sicher betrunken in Los Arcos ankommen würden. Aber heute schaffte ich es nur mit Ach und Krach, den Berg zu der sehr beliebten Fuente del Vino (Weinbrunnen) zu erklimmen. Oben angekommen, kostete ich nicht einmal von dem Wein. Was mir damals so gefallen hatte, fand ich jetzt nur noch enttäuschend. Wieder zurück auf der NA 1110, schob ich das Rad auf dem Seitenstreifen. Ich konnte mir nicht helfen, der Camino wirkte diesmal ganz anders auf mich.
    Nicht nur von dem Fußballspiel musste ich mich nach meinem Abend in der Camel Bar erholen. Der Nieselregen, die Kälte, die Einsamkeit

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