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Ich bin da noch mal hin

Ich bin da noch mal hin

Titel: Ich bin da noch mal hin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Butterfield
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Compostela gewandert ist. Wirklich eine wunderschöne Geschichte.«
    »Oh ja, wirklich! Ich glaube, es ist Zeit, schlafen zu gehen. Gute Nacht, Barbara.«
    »Gute Nacht, Anne.«
    Ich werde die ganze Nacht immer wieder aus dem Schlaf gerissen. Die beiden Kirchturmuhren schlagen alle fünfzehn Minuten, eine kurz nach der anderen, aber sie sind es nicht, die mich wach halten. »Eine wunderschöne Geschichte«, hat Barbara gesagt.
    Warum ist es dieses Mal nicht so? Wie kann man es überhaupt fertigbringen, die Kathedrale von Pamplona nicht zu sehen? Mein Plan, wie er auch ausgesehen haben mag, funktioniert nicht. Konnte ich etwa deshalb in Eunate nicht die Energieder anderen Pilger spüren – weil die Idee, noch einmal den Camino zu machen, einfach nur ein Riesenfehler ist?

Samstag, 12. Juni 2010
    Ich radle 37 Kilometer von Cirauqui nach Los Arcos und … England spielt in der WM gegen die USA
    Unter meinem Balkon in Los Arcos tropft von den getrimmten plátanos del paseo noch der Regen vom Vormittag. Der Platz ist weitgehend leer, bis auf ein paar Wochenendzecher, die grölend aus dem Camel und dem Xauen stolpern, zwei krachvollen Bars in einer Nebenstraße. Wenn ich etwas den Hals verrenke, kann ich vom Balkon aus den Kirchturm sehen, auf dessen Kuppel ein Storchenpaar in seinem zerzausten Nest steht. Ist es bloß ein Versehen, dass der Laden, in dem man so gut wie alles kaufen kann, Cosi Todo heißt, und nicht Casi Todo, was »so gut wie alles« heißt?
    Das Personal des Hotels Mónaco hat mein Fahrrad bereits sicher eingeschlossen und der Dusche warmes Wasser entlockt, nachdem ich viel zu groggy war, um mit den Wasserhähnen klarzukommen. Es ist erst drei Uhr nachmittags, aber ich fahre heute keinen Meter mehr. Es hat zwar zu regnen aufgehört, doch die Folgen der Sintflut sind in meinem Zimmer allgegenwärtig. Feuchte kurze Hosen, durchnässte Socken, pitschnasse Überschuhe und eine tropfende Regenhose hängen über Handtuchhaltern, Kleiderbügeln und an der Vorhangstange. Was bin ich froh, dass Steve nicht hier ist und die durchweichten Doc Martens sieht, die wie zwei begossene Maulwürfe auf dem Heizkörper liegen. Wenn ich nicht noch mal so einen Katastrophentag wie heute erleben will, werde ich wohl in Logroño ein kleines Vermögen für brauchbare Regenhosen und wasserdichte Schuhe ausgeben müssen.
    Doch der Tag endet keineswegs im Trübsinn. Das Abascal an der Ecke der plaza ist an diesem Abend proppenvoll. Die Gäste unterhalten sich angeregt, trinken San Miguel, erzählen laut Geschichten und blasen sich gegenseitig Zigarettenqualm ins Gesicht. Fast alle rauchen, obwohl das doch seit Kurzem perGesetz in Kneipen verboten ist. Es ist mir ein Rätsel, wie Franco sich in diesem Land, in dem sich niemand um Vorschriften schert, so lange an der Macht halten konnte. Endlich kommt der Augenblick, dem ich seit meiner Abreise aus England entgegenfiebere – 19 Uhr 30, Englands erstes WM-Spiel, gegen die USA, wo Fußball eher als Kindervergnügen gilt und die Leidenschaft, die dieser Sport weltweit auslöst, eher unbekannt ist. Zuzuschauen, wie wir die USA im südafrikanischen Rustenburg schlagen, wird Balsam für meine geschundenen Knie und entzündeten Gelenke sein, und mir nach der heutigen Tortur die joie de vivre zurückgeben. Voller Vorfreude lasse ich meinen schmerzenden Körper auf einen leeren Stuhl am Fenster fallen und nippe an meinem Rotwein. Das Spiel beginnt.
    Johnson macht Einwurf zu Lampard. »Lamps« passt zu Rooney, der erwischt den Ball nicht, doch zum Glück ist da Heskey. Da stürmt Gerrard (Liverpools »Stevie G«) an zwei amerikanischen Verteidigern vorbei in den Strafraum.
    »Gib ab, mach schon!«, rufe ich.
    Heskey spielt den Ball zu Gerrard, der ihn am Torhüter vorbei ins Netz bugsiert! Erst vier Minuten gespielt, und wir haben schon ein Tor geschossen! Wir gewinnen, Kinderspiel. Denen werden wir’s zeigen.
    »Oh nein, das darf doch nicht wahr sein!«, stöhnt jemand mit amerikanischem Akzent hinter mir.
    Es ist ein junger, bärtiger Pilger. Ich versuche, meine Freude über den frühen Führungstreffer etwas im Zaum zu halten. »Kein schlechtes Tor, was?«, sage ich in der Erwartung, den Satz an diesem Abend noch öfter wiederholen zu können.
    Der Amerikaner räumt es lächelnd ein. Doch bald schon verliert England die Initiative an die USA, deren Spiel weit gefährlicher und ideenreicher ist als das unserer Mannschaft. Fünf Minuten vor der Halbzeit erhebe ich mich von meinem Platz, um

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