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Ich bin da noch mal hin

Ich bin da noch mal hin

Titel: Ich bin da noch mal hin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Butterfield
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Glück! Du bist aus härterem Holz geschnitzt als ich.«
    Eine Stunde später lag ich in der städtischen Herberge von Najéra in der oberen Etage des Stockbetts Nummer 40 und starrte die Decke an. Zu dem schnarchenden Mann im Bett neben mir sah ich nicht hinüber. Er war jedenfalls heute keiner Superheldin begegnet, die ihm nun den Schlaf raubte.
    Die Uhr unter den Störchen auf dem Glockenturm des Klosters zeigte 8 Uhr 35, als ich Nájera morgens verließ.
    »Und der Camino soll auch Spaß machen«, hatte der Priester in Navarrete erklärt.
    Beim Wandern durch Spanien keinen Spaß zu haben, wäre mir unmöglich. Weder der bewölkte Morgen noch meine schmerzende Achillessehne kann meiner Erleichterung darüber, dass ich nun zu den Wandernden zähle, Abbruch tun. Die irrsinnigen Straßennummern, Autobahnen und Verkehrskreisel sind verschwunden, und ich wandere durch Weingärten, gesäumt von Schlüsselblumen und Riedgras. So ist es jedenfalls, bis ichaus dem Café El Descanso Peregrino in Azofra, sechs Kilometer nach Nájera, trete.
    Nicht nur der tote Dompfaff auf dem Pfad kurz nach dem Café hat den Geist aufgegeben. Die Weingärten haben die Schlacht gegen die sie bedrängenden Weizenfelder verloren, von nun an bestimmt das siegreiche Getreide die von kleinen Hügeln durchsetzte Ebene. Neun Kilometer marschiere ich durch diese Landschaft, die erst ein Vorgeschmack auf das ist, was noch kommen wird, in strahlendem Sonnenschein, der meinen Camino von nun an begleiten wird. Hinter dem Weizenmeer liegen die rötlichen Dächer von Cirueña, doch ich mache schon an dem Rastplatz vor der Stadt Halt, an dem ich am 17. Juni 2001 Hans zum ersten Mal richtig wahrnahm. Ich saß auf einer Holzbank am Weg, als mich ein strammer Pilger in hellblauem Hemd und Jeans einholte. Da er wie ich allein war und zudem sympathisch schüchtern, weckte er mein Interesse. Er verlangsamte sein Tempo, grüßte, und stolperte dann fast, als er mit seltsam auswärts gesetzten Füßen vorbeimarschierte. Offenbar war er innerlich sehr mit irgendetwas beschäftigt, jedenfalls ging er ohne mich weiter. Schon wenige Minuten später trafen wir uns am Tresen eines Cafés in Cirueña wieder …
    »Hallo«, sagte er und schüttelte mir die Hand. »Ich bin Hans-Peter.«
    »Hans-Peter? Hm, du hast zwei Namen? Stammst du aus der Königlichen Familie oder so was? Ich heiße Anne, einfach nur Anne.«
    »Hallo Anne«, antwortete er mit melodischem Akzent. »Dein Name klingt, mit Verlaub, königlicher als meiner. Bist du Engländerin?«
    »Ja. Und du bist Deutscher?«
    »Ja. Aber mein Vater ist Holländer, daher mein Nachname.«
    »Welcher lautet?«
    »Kerkeling. Und deiner?«
    »Butterfield.«
    Ich ziehe ohne ihn weiter, denn offenbar braucht er einen Kaffee und eine Zigarette noch dringender als ein Bett in Santo Domingo. Weit ist er aber nicht hinter mir, und noch währendich im Zisterzienserinnenkloster meinen Schlafsack ausrolle, trifft er auch dort ein. Zwei amerikanische Pilger, die ich kenne, betreten den Schlafsaal, und ich stelle alle einander vor.
    »Hi! Lori, Brad, das ist Hans-Peter. Er hat zwei Namen, weil er aus der deutschen Königsfamilie stammt. Hans-Peter, das sind Lori und Brad aus Seattle.«
    Hans verschwindet, während ich in fliegender Hast meinen Rucksack umpacke. Wenig später treffe ich ihn in der Kathedrale wieder. Die Messe hat schon begonnen, als ich mich ein paar Reihen hinter Hans verstohlen in eine Kirchenbank setze. Ich sehe, wie er lacht und sich an der Bank vor ihm festhält, um im Gleichgewicht zu bleiben. Offenbar neigt er zum Hinfallen, dieser Pilger, aber diesmal gibt es gute Gründe für seine mangelnde Stabilität. Alle anwesenden Pilger stehen vornübergebeugt, um sich ihr Lachen über den Hahn, dessen penetrantes Krähen die Predigt übertönt, nicht anmerken zu lassen. Der Hahn ist nicht zufällig in die Kathedrale spaziert, er befindet sich zusammen mit einer Henne in einem gläsernen Hühnerhaus in einer Seitenkapelle, zum Gedenken an das mittelalterliche »Hühnerwunder«.
    Später, als ich bereits schlafe, betritt Hans den Schlafsaal und rumort derart laut, dass ich wieder aufwache.
    »Anne! Anne! Möchtest du diese Isomatte?«, flüstert er und hält eine selbstaufblasbare Hightech-Matte empor.
    »Deine Therm-A-Rest? Im Ernst? Du willst mir deine Therm-A-Rest schenken?«
    »Äh, ja, ich würde mich freuen, wenn du sie nimmst. Ich benutze sie nie, und du zeltest doch, oder?«
    »Ja, das stimmt. Mensch, Hans, vielen

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