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Ich bin da noch mal hin

Ich bin da noch mal hin

Titel: Ich bin da noch mal hin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Butterfield
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nicht besonders gut.«
    »Äh, nein, wir waren sogar miserabel. Aber die Niederlande haben auch keine viel bessere Figur gemacht. Wozu die ganzen Schwalben und Fouls? Das ist doch eigentlich nicht die niederländische Art.«
    »Stimmt. Das Team ist nicht so gut wie das frühere.«
    »Als ich so alt war wie du, waren die Niederlande brillant. Ihr hattet Johan Neeskens, Johan Cruyff …«
    »Creuf«, korrigiert er streng meine Aussprache.
    »Sagte ich doch, Cruyff.«
    »Nein, Creuf«, wiederholt er.
    »In England haben wir viele holländische Spieler. Robin van Persie bei Arsenal, Dirk Kuijt bei Liverpool …«
    »Keut!«
    »Habe ich doch gesagt. Kuijt?«
    »Nein, er heißt Keut! Keut!«
    »Also, besser als die englischen Kommentatoren spreche ich es bestimmt aus. Sie nennen ihn ›Kite‹, weißt du, wie das fliegende Ding an der Schnur, den Kinderdrachen.«
    Zum ersten Mal während des Spiels kichert der junge Mann.
    »Ich heiße Anne. Und du?«
    »Bob.«
    Großartig! Bob kann ich sogar aussprechen.
    Unmittelbar nach dem Schlusspfiff begleicht Bob seine Rechnung und geht. An diesem Tag treffe ich ihn nicht wieder, nicht einmal bei dem spannenden Duell zwischen Ghana und Uruguay am späten Abend. In der gesteckt vollen Bar Palco sehe ich ausgerechnet Luis Suárez in der letzten Sekunde den Ball mit der Hand von der Linie schlagen und so Ghana den Sieg vermasseln. Suárez wird wegen Handspiel vom Platz gestellt, aber was ändert das schon? Uruguay besiegt Ghana im Elfmeterschießen und verhindert so, dass die Mannschaft als erstes afrikanisches Team in der Geschichte das WM-Halbfinale erreicht, wie sie es verdient hätte. Kath fasst für mich den Tag mit einer SMS aus London zusammen.
    »Anne, das ertrage ich nicht«, schreibt sie. »Ganz Afrika weint.«

Samstag, 3. Juli 2010
    León
    Gibt es etwas Schöneres auf der Welt als diese Kathedrale? Die vier Mormonen-Missionare auf dem Platz blinzeln ins Sonnenlicht, überwältigt vom wundervollen Anblick des »Juwels von León«. Wenn irgendetwas sie zum Katholizismus bekehren kann, nachdem sie zwei Jahre lang den Spaniern die Polygamie des Propheten Brigham Young erläutert haben, dann höchstens dieses gotische Meisterwerk. Mein Bauchgefühl rät mir, mit ihnen ein Gespräch zu beginnen, obwohl ich das alles schon mal durchgemacht habe. Ich weiß genau, was passieren würde. Die Missionare mit dem strahlenden Lächeln würden verstohlen »Die Konversionsmappe« aus dem Rucksack ziehen und mich mühelos dazu bringen, einen Kurs in mormonischer Theologie zu belegen. Ich müsste während der nächsten sechs Wochen in León bleiben. Und Wasser trinken. Aber ich habe keine Zeit zu verlieren. Als Tourist in León hat man so viel zu tun, dass ich es vorziehe, die Kathedrale zu besichtigen, anstatt mit den adretten Jungs aus Utah Bekanntschaft zu schließen. Es erweist sich als Fehler – nicht der erste auf dem diesjährigen Camino.
    Im Gegensatz zur Kathedrale von Burgos, wo Pilger wie Touristen ungehinderten Zugang zu den Seitenkapellen haben, befinden sich die von León hinter verschlossenen Türen. Es würde mir nicht in den Sinn kommen, eines der Kunstwerke zu stehlen. Aber ich begutachte eine interessante Statue aus verdächtiger Nähe, als es zu dem Zwischenfall kommt. Nie zuvor habe ich eine so eindeutig schwangere Jungfrau Maria gesehen. Es ist die Virgen de la Esperanza (Jungfrau der Hoffnung), gefertigt aus bemaltem Stein im naturalistischen Stil des 13. Jahrhunderts, einer Zeit, in der Maria in der westlichen Kirche zu Ehren kam. Ich denke gerade über die Konsequenzen nach, die das für mich und alle Frauen hat, als ein Aufseher die Besucher von den Kapellen weg in die Bankreihen scheucht, die inzwischen mit einem Seil abgetrennt worden sind. Von dort aus sehe ich gar nichts mehr außer der pompösen Hochzeit eines Paares aus besseren Kreisen, die meinem Bildungshunger ein Ende setzt.
    »Ich finde nicht, dass wir uns bloß wegen dieser Hochzeit nicht aufhalten können, wo wir wollen«, erkläre ich dem Aufseher, der wichtigtuerisch ein paar Nachzügler hinter die Seilsperre verweist.
    Seine unvorhersehbare Reaktion versetzt mich in einen Schockzustand.
    »Raus! Raus!«, brüllt er und rennt durch das Außenschiff zur Tür, als erwartete er, dass ich ohne Protest Folge leiste.
    Aber das tue ich nicht. Ich bleibe, wo ich bin, ganz dicht am Seil. Als er merkt, dass ich ihm nicht nachkomme, kehrt er zurück.
    »›Raus!‹, habe ich gesagt«, erklärt er grob und macht

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