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Ich Bin Dann Mal Weg: Meine Reise Auf Dem Jakobsweg

Ich Bin Dann Mal Weg: Meine Reise Auf Dem Jakobsweg

Titel: Ich Bin Dann Mal Weg: Meine Reise Auf Dem Jakobsweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hape Kerkeling
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Monumente aus der arabischen Epoche lassen manche Straßenzüge wie ein kleines Mekka erscheinen. Im späten achtzehnten Jahrhundert endete allerdings die Blütezeit Sahagúns, denn alles, was danach entstand, sieht einfallslos aus. Auf der Hälfte der Strecke kommt man in eine Stadt, in der es Jahrhunderte lang bergauf und danach Jahrhunderte wieder bergab geht. Das passt!
    Am schwarzen Brett der Hotelrezeption bietet der örtliche Physiotherapeut David Massagen zu Sonderpreisen für Pilger an. Ich wähle umgehend die Telefonnummer und bekomme sofort einen Termin.
    Was für ein Glück, endlich wird zum ersten Mal nach über dreihundert Kilometern eine Massage angeboten.
    Nach einer eiskalten Dusche und einem Brötchen mit Schinken eile ich zur Massagepraxis, wo David der Masseur bereits auf der Straße auf mich wartet. Den Mann kenne ich von einem Foto!
    Also begrüße ich ihn mit den Worten: »Hola David! Ich kenne dein Gesicht von einem Foto in der Bar in Castrojeriz, wo Kathie der Papagei immer frei herumfliegt!« Er lacht und erklärt mir, dass der Besitzer dort sein bester Freund sei. In dem Lokal in Castrojeriz hing direkt neben meinem Tisch an der Wand ein großes Foto von David und da ich die ganze Zeit während des Essens draufgestarrt habe und er sympathisch aussah, habe ich mir das Gesicht gemerkt. Wie die Dinge hier manchmal ineinander greifen.
    Ruck, zuck liege ich halbnackt auf der Massageliege und lasse mir die geröteten Füße durchkneten. Während das Radio laut rauschend vor sich hindudelt, erzählt mir David, wie er auf einer seiner zwei Pilgerreisen Kathies Herrchen kennen gelernt hat. Keine Ahnung, was er mir sonst noch erzählt, denn ich befinde mich dank der Reflexzonenmassage an meinen wehen Füßen in der Zone der vollkommenen Glückseligkeit.
    Als ich kurz vor dem Einnicken bin und durch mein eigenes Schnarchgeräusch ruckartig ins Hier und Jetzt zurückkatapultiert werde, läuft im Radio ein alter Kate-Bush-Song: »Don’t give up ’cause you’re half way!«
    Das Lied mag ich, also falle ich leise ein, aber erst beim zweiten Refrain fällt mir auf, was ich mir da gerade selber vorsinge. Das gibt’s nicht! Das ist wieder eine wundervolle Aufforderung.
    Gib nicht auf, du bist schon auf der Hälfte des Weges!
    Vielleicht möchte ich auch einfach, dass dieser Weg wundervoll ist, und deshalb ist er es dann auch.
    Kurz bevor David mir sämtliche Verspannungen aus den Füßen massiert hat, fragt er mich, wann ich denn angefangen hätte mit dem Pilgern, vor ein oder zwei Tagen?
    Erstaunt und hellwach bäume ich mich auf: »Wie bitte? Ein oder zwei Tage!? Ich habe die Hälfte des Weges hinter mir.« Er nimmt meine Füße skeptisch noch etwas genauer unter die Lupe. »Das ist nicht möglich!«, kommentiert er nüchtern. »Wenn ich es dir doch sage!«, insistiere ich, obwohl es mir völlig egal sein kann, ob er es glaubt oder nicht. Der Fußfachmann bleibt hartnäckig: »Nein, du hast nicht eine einzige Blase oder Narbe am Fuß. Das gibt es nicht!« Ich gebe ihm eine ehrliche Antwort: »Ich weiß, dass es das nicht gibt, und es wundert mich ja auch. Normalerweise habe ich bei jedem neuen Schuh gleich am ersten Tag Blasen, aber auf dem Weg bleibe ich davon verschont. Wahrscheinlich sind meine kanadischen Wanderschuhe einfach die besten der Welt.« David grinst und massiert still weiter.
    Don’t give up ’cause you’re half way!
    Nach der Behandlung fühle ich mich wie neugeboren und genehmige mir auf der Plaza unter den schattigen Kolonnaden meinen obligatorischen café con leche ; dazu wieder irgendein fades bocadillo mit Käse.
    Das Frühstück heute Morgen war der bisherige kulinarische Höhepunkt. Ansonsten ist das Essen fast überall auf dem Weg schlecht, nicht schlecht im eigentlichen Sinne, es ist gute, nahrhafte Kost, aber fantasielos und gleichgültig zusammengestellt. Wahrscheinlich das Richtige für so einen Pilgerpfad? Das Essen wird zur Nebensache und man freut sich nicht besonders darauf. Man lernt ein einfaches Schinkenbrot zu schätzen. Diese Nahrung hält einen bei Kräften und stimuliert den Gaumen nicht über die Maßen. Es ist schließlich eine Pilgerreise und kein Gourmettrip.
    Und während ich den letzten Bissen meines Brötchens vertilge und mir den Mund mit einer Serviette abwische – wer biegt da suchend um die Ecke? Die Österreicherin. Sie kontrolliert wahrscheinlich, ob ein G’schäfterl geöffnet ist. Aber es ist mal wieder Siesta in Spanien und nix mit

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