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Ich bin dein, du bist mein

Ich bin dein, du bist mein

Titel: Ich bin dein, du bist mein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ravensburger
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machte auf dem Absatz kehrt und wäre beinahe mit einem anderen Mann zusammengeprallt, der den Weg zum Haus hinaufkam.
    »Haben Sie ein Taxi bestellt?«, wollte er wissen. Ein mächtiger Bierbauch wölbte sich unter seiner Lederjacke.
    »Nein, haben die Herrschaften nicht«, sagte sein Kollege. »Da hat sich wohl jemand einen ziemlich blöden Scherz mit uns erlaubt.« Er deutete zur Straße, wo sich mittlerweile eine ganze Kolonne von Taxis staute. Die laufenden Motoren und schlagenden Türen machten einen derartigen Lärm, dass überall in den benachbarten Häusern die Lichter angingen.
    Mit einem Mal klingelte Judiths Ersatzhandy, das auf der Kommode im Flur neben ihrem Schlüssel lag. Eine SMS .
    Sämtliche Schar, die du siehst, ist hilflos, ohne Bestattung; Charon steuert das Boot; die die Flut trägt, sind die Begrabenen; aber es wird zum grausigen Strand durch die rauschenden Fluten niemand übergesetzt, bis still im Grab sein Gebein ruht.
    Robert nahm ihr das Handy aus der Hand und las die Nachricht. »Sieht so aus, als wäre dein Freund sehr belesen. Das ist aus der Aeneis .« Er sah auf. »Tausch die Karte aus. Dann wird er dich mit seinen Literaturzitaten verschonen.«
    Judith nahm das Handy wieder an sich und schaltete es aus. Draußen auf der Straße löste sich der Stau langsam auf. Ruhe kehrte ein. Ihre Beine begannen zu zittern und sie musste sich auf die Treppe setzen.
    »Ich rufe gleich bei allen Taxizentralen an und warne sie, damit sie keinen Wagen mehr an diese Adresse schicken«, sagte Robert. »Und ihr beide solltet jetzt zu Bett gehen. Wenn ihr möchtet, bleib ich noch ein bisschen auf, falls unser Stalker selbst auftauchen sollte.«
    »Das ist lieb, aber das musst du nicht.« Zu ihrer Mutter gewandt sagte Judith mit einem matten Lächeln: »Ich bin wirklich froh bin, dass du den Typ hier aufgegabelt hast.«
    Marion lächelte und legte ihren Arm um Roberts Hüfte. »Da bist du nicht die Einzige. Manchmal ist ein Mann im Haus ganz nützlich.«
    »Nanu? Geben die emanzipierten Damen jetzt ihren Standpunkt auf?«, fragte Robert mit einer hochgezogenen Augenbraue.
    »Bilde du dir mal keine Schwachheiten ein, mein Freund«, sagte Marion und knuffte ihn in die Seite. »Meine Selbstständigkeit steht hier nicht zur Debatte.«
    Er drückte ihr einen Kuss auf die Stirn. »Dass, meine Liebe, hätte mich ehrlich gesagt auch ziemlich enttäuscht. Du hast eine wunderbare Mutter, Judith.«
    »Ja, manchmal«, erwiderte sie grinsend.
    Marion hob den Zeigefinger und grinste zurück.
    »Das ist das Allerwichtigste: Ihr müsst immer zusammenhalten«, sagte Robert ernst. »Denn wenn mich nicht alles täuscht, steht euch noch eine schwere Zeit bevor.«
    »Nimm dich da mal nicht aus«, sagte Marion. »Mitgefangen, mitgehangen.«
    »Ich gehe ins Bett«, sagte Judith. »Macht das unter euch aus.«
    Doch Judith war zu aufgedreht, als dass sie sofort hätte einschlafen können. Zerberus legte winselnd seine Schnauze aufs Bett.
    »Na, komm her«, sagte Judith und klopfte neben sich auf die Matratze. »Aber dass eins klar ist: Das ist eine Ausnahme! Normalerweise ist dein Platz am Fußende, auf der Decke. Aber heute Nacht brauch ich jemand zum Kuscheln.« Judith musste unwillkürlich lachen.
    Sie und kuscheln! So weit war es schon gekommen.

    Erstaunlicherweise blieb am nächsten Tag der Telefonterror aus und auch in der darauffolgenden Nacht war es ruhig. Judith war sich nicht ganz sicher, ob das ein gutes Zeichen war.
    Sie ging nicht mehr alleine zur Schule. Sie wurde entweder von ihrer Mutter oder von Robert hingefahren und wieder abgeholt. Der Direktor und die Lehrer waren informiert, doch keiner sprach mit Judith über die Gefahr.
    Auch wenn der Alltag scheinbar normal weiterging, war Judith in ständiger Alarmbereitschaft. Selbst in den weitläufigen Korridoren des Schulgebäudes fühlte sie sich beobachtet.
    Als sie am Nachmittag ihre E-Mails abrief, wusste sie, warum: Gabriel hatte ihr nur eine einzige Nachricht geschickt, aber die war so groß, dass ihr Rechner einige Minuten zum Herunterladen benötigte. Im Anhang waren mehr als zwanzig Fotos.
    Judith am Fenster ihres Zimmers.
    Judith mit ihrer Mutter beim Verlassen des Hauses.
    Judith beim Betreten der Schule.
    Judith vor dem Physiksaal, wie sie sich mit Niels unterhält.
    Judith in der Pause auf der Bank unter der Buche.
    Judith, die nach Schulschluss ins Auto ihrer Mutter steigt.
    Und alle sahen so aus, als wäre sei der Fotograf keine zehn Meter von ihr

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