Ich bin dein Mörder: Thriller (Sam Burke und Klara Swell) (German Edition)
hatte. Von Bingens wurden Juristen oder Firmenlenker, seinethalben noch Historiker mit ordentlicher Professur. Aber Koch? Adrian jedoch hatte seinen eigenen Weg gehen und seine Leidenschaft zum Beruf machen wollen. Zur Not gegen den Willen seiner herrschsüchtigen Familie. Er hatte sein Elternhaus nie wieder betreten. Und Jessica hatte seine Eltern deshalb nie kennengelernt. Nein, diesen Teil seines Lebens würde er ohne Hilfe seiner Verwandtschaft auf die Beine stellen müssen. Und vielleicht bot ihm der Inhalt des Umschlags, der bedrohlich und verheißungsvoll zugleich neben ihm auf dem Rücksitz lag, tatsächlich eine Gelegenheit.
Irgendwo in Jersey City, Adrian hatte längst jede Orientierung verloren, holperte der Wagen über einen Bordstein auf einen großen betonierten Platz. Sie hielten direkt in der Mitte. Adrian griff ohne viel Hoffnung zum Türöffner. Natürlich nicht. Der Mexikaner drehte sich zu ihm um.
»Sie haben das Dokument gelesen?« Adrian nickte. »Demnach werden Sie nicht fortlaufen, nehme ich an?« Er schüttelte den Kopf. Nein, nicht mehr. Wenn sie ihn hätten entführen oder umbringen wollen, hätten sie das anders angestellt. Sie boten ihm etwas an, was er wollte. Und sie diktierten dafür die Bedingungen, auch wenn Adrian ein ungutes Bauchgefühl hatte, was derartige Methoden am Anfang einer Geschäftsbeziehung anging. Die Mafia? Möglich. Aber warum sollten ihm Verbrecher so etwas anbieten? Nein, es musste eine andere Erklärung geben. Und deshalb würde er abwarten.
»Nur eine Regel«, sagte der Mexikaner. Adrian schaute ihm auf den Bart. »Wenn er kommt, steigen Sie wieder ein.«
Adrian blickte sich um. Der Platz war menschenleer, und es sah nicht so aus, als käme im nächsten Augenblick ein Bus voller Jugendlicher, die ausgerechnet jetzt Basketball spielen wollten. Er nickte erneut. In der Tür klackte ein Mechanismus, als der Mexikaner entriegelte. Erleichtert stieg Adrian aus dem Wagen und wurde von einer Walze stickiger, glühend heißer Stadtluft erschlagen. Es musste noch um die vierzig Grad warm sein, selbst jetzt am Nachmittag. Und der Asphalt trug nicht gerade dazu bei, die Hitze zu lindern. Dünne Grashalme kämpften sich durch wie zufällig entstandene Risse, enger Maschendraht umzäunte das gesamte Areal. Am anderen Ende hingen zwei Basketballkörbe mit Netzen aus Ketten, in den Ecken standen mit Abfall vollgestopfte, verrostete Ölfässer. Adrian hörte das Ploppen von Tennisbällen auf den anliegenden öffentlichen Plätzen und den schwer arbeitenden Motor eines anfahrenden Lastwagens. Er blinzelte in die Sonne und lief um den Wagen herum, um sich die Beine zu vertreten. Und um sich das Nummernschild und den Aufkleber des Limousinenservices einzuprägen. Er war sich zwar nicht sicher, ob beides echt war, aber schaden konnte es nicht. Wie auch immer das hier ausging. Sein Fahrer hieß laut dem Ausweis am Handschuhfach Enrigo Hernandez. Falls er nicht gefälscht war. Alles erschien Adrian heillos kompliziert. Er hatte gerade seine möglichst entspannt wirkende Runde um das Auto beendet, als er bemerkte, dass eine zweite Limousine auf den Platz schaukelte. Sie war identisch mit der, in der er bis eben noch gesessen hatte. Enrigo klopfte aufgeregt an die Scheibe. Adrian warf einen letzten Blick zurück und stieg wieder in den Fond. Kaum hatte er die Tür geschlossen, hörte er das vertraute Klicken der Zentralverriegelung. Er war wieder eingesperrt. Der zweite Wagen rollte neben ihren und hielt ein kleines Stückchen weiter vorne. Ein Mann in einem Anzug stieg aus, er trug eine Sonnenbrille und bemühte sich auffällig, ihm unauffällig den Rücken zuzudrehen. Der Mann öffnete die Tür und glitt auf den Beifahrersitz. Ein dezentes, teures Parfum. Adrian starrte ihm auf den Hinterkopf und versuchte, sich seine Gefühle nicht anmerken zu lassen, was nicht leicht war, denn sie schwankten immer noch zwischen Neugier und einem sehr miesen Grummeln im Bauch.
»Ich vermute, Sie haben das Dokument gelesen?«, fragte der Mann. Ostküstenakzent. Sehr kultiviert. Gebildet. Höflich. Auch die Mafia war mittlerweile gebildet und bisweilen höflich, erinnerte sich Adrian. Er nickte mit trockenem Mund.
»Ich bin gekommen, um Ihre diesbezüglichen Fragen zu beantworten«, fuhr der Unbekannte fort. Hernandez kaute währenddessen scheinbar abwesend einen Kardamomsamen. »Haben Sie Fragen zu unserem Angebot, Adrian?«
Adrian zog die Blätter aus dem Umschlag. »Vertrag zwischen der
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