Ich bin dein Mörder: Thriller (Sam Burke und Klara Swell) (German Edition)
darauf, von Betty zu erfahren.
Kapitel 9
Brooklyn, New York
Dienstag, 26. Juni 2012
Klara Swell kippelte auf dem zerfledderten Bürostuhl und versuchte verzweifelt, unter Adrians Buchhaltungschaos die Tastatur des Computers zu finden. Seufzend griff sie nach dem nächsten Schwung unbezahlter Rechnungen und legte sie achtlos auf einen der anderen Haufen. Vermutlich brachte sie damit irgendein nicht erkennbares System durcheinander, aber es half nichts. Sie musste anfangen, einen Plan für die Stiftung zu entwickeln, und mit dem horrenden Betrag, den sie ab jetzt monatlich ans Traiff überwies, würde Adrian seine Schulden sukzessive abbauen können. Was sie immerhin zugeben musste: Die Verpflegung der Stiftungsmitarbeiter, die einen mittleren vierstelligen Betrag im Monat verschlangen, war ausgezeichnet. Im Gegensatz zum Kantineneinheitsbrei bekam sie jeden Mittag eine Art Personalessen des Traiff – zumeist Dinge, die Adrian selbst gerne mochte. Und wie fast alle Köche, die auf einen Stern hinarbeiteten, bevorzugte er Deftiges, das aber umso liebevoller zubereitet wurde. Heute gab es einen ungarischen Eintopf mit Sauerkraut und Hackfleisch, den ihr Adrian mit einem bissigen Kommentar über amerikanische Vorurteile den Deutschen gegenüber aufgetischt hatte: »Wenn Ihr uns deshalb Krauts nennt, bitte schön.« Den Teller auf ihren Knien, löffelte sie den Kartoffelbrei durch die sämige Masse aus Hackfleisch, Paprika-Tomaten-Sud, Sauerkraut und Schmand. Kein Mensch würde sich über die Höhe der Verpflegungszahlungen beschweren, zumindest nicht Klara Swell, und schließlich war sie die Geschäftsführerin der Stiftung.
Eine halbe Stunde nach dem Mittagessen hatte sie zumindest die Tastatur freigelegt und eine erste To-do-Liste angelegt, außerdem ein paar Telefonate mit befreundeten Polizisten geführt und einige Gefallen eingefordert. Sie hatten jetzt Zugang zur Vermisstendatei des FBI . Das brachte ihnen zwar nicht sonderlich viel, aber es war immerhin ein erster Schritt. Gerade spuckte der Drucker das letzte Blatt ihres Aktionsplans aus, als Adrian im Türrahmen stand.
»Kommst du zurecht?«, fragte er mit Blick auf das Schreibtischchaos
Klara lächelte spöttisch: »Eigentlich ein Wunder, dass dich überhaupt noch jemand beliefert. Aber keine Sorge, ich bin selbst nicht die Allerordentlichste und Büroarbeit liegt mir ohnehin nicht gerade im Blut.«
»Gut so. Und was die Lieferanten angeht, die lass mal meine Sorge sein. Shushu würde sich niemals wirklich trauen, uns nicht mehr zu beliefern.«
»Wer zum Teufel ist Shushu? Und bei deinen Außenständen finde ich das eine abenteuerliche Behauptung.«
»Shushu ist der Fischlieferant. Und er schimpft zwar wie eine Spottdrossel aus Szechuan, aber er hat ein Herz aus Gold. Erzähl mir lieber von der Stiftung. Kommst du voran?«
Männer sind doch alle gleich, dachte Klara. Das neue Spielzeug ist immer schöner als das alte. Kaum ist die Stiftung gegründet und das Restaurant vorläufig gerettet, kommen die Vermissten vor den Kochtöpfen. Trotzdem antwortete sie, wie es sich für die Geschäftsführerin einer Stiftung gehörte, die ein Gespräch mit dem Gründer führte. Sie mochte zwar mit Pia befreundet sein, aber das sollte nichts an ihrer Professionalität ändern: »Adrian, ich habe vor zwei Tagen angefangen …«
»Ich weiß«, sagte Adrian fröhlich, »aber wie ich sehe, hast du zumindest den Drucker wieder in Gang gekriegt.«
»Einschalten hilft«, antwortete Klara. »Aber im Ernst. Wir haben viel zu tun. Ich habe eine erste Liste mit Aufgaben erstellt, und wir haben Zugang zur Vermisstenkartei des FBI .«
»Wow. Wie hast du das hingekriegt? Bist du bei denen eingestiegen?«
Adrian spielte auf ihre leider mittlerweile stadtbekannte Vergangenheit an, die in einer Titelseite der New York Times mit der Schlagzeile »Die illegale Prinzessin« gegipfelt hatte. Klara lächelte: »Nein, nicht direkt. Sagen wir lieber, ich habe jemanden daran erinnert, was ich herausfinden könnte, und dieser Jemand zog es vor, sich kooperativ zu verhalten.«
»Das will ich gar nicht näher wissen. Ich bin übrigens wegen etwas anderem hier. Mir geht der Taxifahrer, der mich entführt hat, nicht aus dem Kopf, vielleicht könntest du mal ein wenig nachforschen. Enrigo Hernandez. Seinen Namen habe ich von der Lizenzplakett…«
In diesem Moment klopfte es. Nicht an der Tür, sondern auf den Boden. Ein Stock, der dreimal auf den Steinboden des Restaurants schlug.
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