Ich bin dein Mörder: Thriller (Sam Burke und Klara Swell) (German Edition)
Hoher Besuch, wusste Klara. Niemand anderes als Thibault Stein. Adrian umarmte den alten Anwalt herzlich und verabschiedete sich danach schnellstmöglich in die Küche: »Ich lasse euch alleine. Es war nicht so wichtig, Klara. Wir können auch später darüber reden.«
»Ich höre mich mal um, was ihn betrifft. Kein Problem, Adrian«, rief sie ihm nach und beeilte sich, den Stuhl vor ihrem Schreibtisch freizuräumen. Der alte Mann ließ sich mit einem kaum hörbaren Ächzen darauf fallen, kaum dass sie die Akten daneben auf dem Fußboden zwischengelagert hatte.
»Miss Swell, ich bin mir sicher, Sie haben mittlerweile eine Idee entwickelt, wie Sie die Stiftungssatzung zum Leben erwecken wollen, oder nicht?«
Klara nickte und zog die druckfrische Liste aus dem Laserprinter. Sie reichte sie dem Anwalt über die Papierstapel hinweg, die er weder mit einem missfälligen Seitenblick noch mit einem Wort bedachte. Die wachen Augen in ihren faltigen Höhlen ruhten nur kurz auf ihrem Papier, für das sie mehrere Stunden gebraucht hatte. Dann blickte er sie belustigt an: »Hatte ich es mir doch gedacht, dass Sie von selbst darauf kommen würden, Miss Swell.«
»Auf welchen Punkt spielen Sie an, Thibault? Stimmt etwas nicht mit der Liste?«
»Ganz im Gegenteil, meine Liebe, ganz im Gegenteil. Ich hatte mir selbst meine Gedanken gemacht, insbesondere zu einem Aspekt, den Sie unter ›Mögliche Probleme‹ anführen.«
»Sie hatten schon immer ein Faible für Probleme, Thibault«, sagte Klara trocken. Womit sie durchaus recht hatte, denn Steins Kanzlei stand in dem Ruf, besonders gerne die aussichtslosen Fälle zu vertreten. Gerade das Unmögliche schien ihm besonderen Spaß zu bereiten. Und meist gewann er. Einige dieser Prozesse bildeten das Fundament seines legendären Rufs.
»Ich beziehe mich auf den von Ihnen genannten Aspekt einer gewissen ›Befugnislosigkeit‹ unserer Organisation.«
»Ich glaube, ich hatte ›Warum sollte uns irgendjemand irgendetwas sagen‹ notiert und es mit drei Fragezeichen versehen.«
»Das, meine liebe Miss Swell«, setzte der Anwalt an, »sei Ihnen ausnahmsweise verziehen, wobei ich die Inflation von Satzzeichen heutzutage nun wirklich nicht goutieren kann. Ich bin allerdings gewillt, das meiner altersbedingten Unflexibilität zuzuschreiben, ebenso wie das Unverständnis für neumodische Musik. Im Kern allerdings haben Sie natürlich vollkommen recht: Wir haben keinerlei Befugnisse, in aller Regel werden wir nicht einmal das Einverständnis der Angehörigen bekommen, da wir sie in einem frühen Stadium unserer Ermittlungen nur unnötig beunruhigen würden, wenn wir ihnen aus heiterem Himmel mitteilten, dass ihre vermissten Geliebten möglicherweise einem Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen sind.«
Klara stöhnte innerlich. Stein monologisierte wieder. Genau wie vor Gericht. Und hinterher weiß keiner der Geschworenen mehr, was er überhaupt von einem wollte, aber man war sich sicher, dass der alte freundliche Herr recht hatte. Das hatte er nämlich immer. Zumindest hörte es sich so an.
»Und was schlagen Sie vor?«, fragte Klara. »Sie kommen doch nicht ohne Plan den ganzen Weg von der Upper East nach Brooklyn.«
»Mit dieser Annahme, Miss Swell, treffen Sie natürlich den Nagel auf den Kopf. Niemand würde sich ohne triftigen Grund nach Brooklyn begeben. Vor allem ich nicht. Die Brücken sind furchtbar, selbst Edward kriegt schweißnasse Hände am Lenkrad.«
»Ich wohne sehr gerne hier, Thibault.«
»Natürlich«, nuschelte er. »Natürlich. Aber zurück zum Punkt: Ich habe mir Gedanken darüber gemacht, wie Sie als Repräsentantin der Stiftung am besten gegenüber Behörden oder anderen Beteiligten an unseren Fällen auftreten sollten. Sie müssen Autorität ausstrahlen, am besten von einer Bundesbehörde kommen.«
Klara lachte: »Natürlich. Am besten wäre, ich käme einfach direkt vom FBI .«
»Korrekt, Miss Swell.« Der Anwalt faltete zufrieden die Hände über seinem Stock und lächelte. Klara ahnte, dass er eine Idee hatte. Und er wollte, dass sie sie ihm aus der knorrigen Nase zog.
»Keine Spielchen, Thibault. Bitte nicht mit mir. Sie wissen, wie sehr ich das hasse.«
»Also gut, Miss Swell. Ich denke, ich habe einen Weg gefunden, wie Sie vorgeben können, vom FBI zu sein, ohne tatsächlich vom FBI zu sein. Und das ganz legal. Oder zumindest so legal, dass ich Sie rausboxen kann, wenn Sie es wieder einmal übertreiben, wovon wir, denke ich, beide bereits fest
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