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Ich bin der Herr deiner Angst

Ich bin der Herr deiner Angst

Titel: Ich bin der Herr deiner Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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meine Fragen gründlich zurechtzulegen.» Ein Schnauben. «Weglaufen wird er nicht. – Ich bleibe hier», beschloss Albrecht. «Wenn mir bis morgen früh keine Strategie eingefallen ist, wird mir auch später keine mehr einfallen. Bis dahin spreche ich noch einmal mit Werden und mit Seidel. Ich will wissen, wer zu Freiligrath Zugang hat.»
    «Wahrscheinlich das gesamte Stationspersonal», vermutete ich. «Und die anderen Patienten?»
    Albrecht nickte. «Das ist anzunehmen. Aber haben Sie den Gesichtsausdruck dieser Schwester gesehen? Nicht erst als ihr das Buch in die Hand fiel, auch vorher schon: Ich glaube nicht, dass das Personal es auf Smalltalk mit ihm anlegt. Was die Ärzte anbetrifft, könnte sich das anders verhalten, so wie wir Seidel gehört haben. Wir dürfen niemals vergessen, dass der Mann zu seiner Zeit als wissenschaftliche Koryphäe galt.»
    «Er selbst hat das jedenfalls nicht vergessen», murmelte ich. «Und was ist mein Part?»
    Er sah mich an, beinahe erstaunt. «Sie fahren zurück nach Hamburg», stellte er fest. «Sie haben die Leitung.»
    Ich schluckte. «Max Faber ist …»
    «… voll mit der Auswertung der Akten beschäftigt. Matthiesen kommt ebenfalls nicht in Frage. Er soll sich bitte einmal Freiligraths Finanzen vornehmen. Seine heutigen Finanzen. Und wenn Isolde Lorentz den Seydlbacher zum Rapport bestellt, will ich nicht daneben sitzen. Sie waren von Anfang an dabei, Friedrichs. Sie machen das.»
    Ich nickte stumm.
    Ich habe keine Angst vor Verantwortung. Wenn das so wäre, hätte ich im mittleren Dienst bleiben müssen. Und es war nicht das erste Mal, dass mir die Aufgabe zufiel, den Chefsessel warm zu halten. Selbst Jörg Albrecht machte mal Urlaub – zumindest hatte er das während seiner Ehe hin und wieder getan. In solchen Fällen blieb uns gar nichts anderes übrig. Max Faber, Klaus Matthiesen und ich hatten uns dann mit der Leitung abgewechselt.
    Doch das hier war nicht irgendeine Ermittlung.
    Mit gefiel nicht, wie sich meine Knie anfühlten, als wir zum Wagen zurückgingen und Albrecht seinen Koffer vom Rücksitz nahm.
    Mit knappen Worten erklärte er Maja Werden, was er beabsichtigte und erkundigte sich, ob sie ihn mit nach Braunschweig nehmen könne. Am Hotel sei nichts auszusetzen gewesen, und er wolle sich mit Hauptkommissar Rabeck besprechen, bevor er morgen früh nach Königslutter zurückkehrte.
    Keine Einwände.
    «Und Sie wollen zurück nach Hamburg?»
    Soweit ich mich erinnern konnte, war das das erste Mal, dass die Frau mich direkt ansprach.
    Ich nickte, wusste aber nicht recht, was ich sagen sollte.
    «Dr. Seidel hat uns noch auf einen Kaffee eingeladen», sagte sie. «Im Bergcafé.» Sie nickte über unsere Schulter zu einem Gebäude hangaufwärts.
    Ein verhutzeltes Hexenhäuschen. Soweit ich erkennen konnte, gehörte es noch zum Anstaltsgelände, war aber ein Stück abgesetzt, direkt am Waldrand. Von da oben hatte man mit Sicherheit eine hübsche Aussicht.
    Ich schüttelte den Kopf und murmelte was von meinem Ehemann, der mich seit Tagen nicht zu Gesicht bekommen hätte.
    Das schien auf Verständnis zu stoßen.
    Zwei Minuten später fuhr ich durch die gemauerte Toreinfahrt und beobachtete im Rückspiegel, wie die beiden hinter mir zurückblieben.
    Mit einem Griff in meine Handtasche hatte ich die Cure- CD und schob sie in den Player.
    Standing on a beach with a gun in my hand …
    Seltsam: Plötzlich konnte ich wieder atmen.
    ***
    Ich mache mir Sorgen um dich. Du fehlst mir.
    Die Füllanzeige an der Zapfsäule zählte langsam nach oben.
    Der Preis in Euro schoss in ungefähr der doppelten Geschwindigkeit in die Höhe.
    Ich achtete nicht darauf.
    Ich betrachtete das Display meines Smartphones.
    Die Kurzmitteilung war eingetroffen, als ich gerade das Ortsausgangsschild von Königslutter passierte.
    Nein, nicht von Dennis.
    Dieselbe Nummer wie heute Nachmittag.
    Joachim Merz.
    Ich schüttelte den Kopf, wartete ab, bis der Mineralölkonzern der Freien und Hansestadt Hamburg eine Summe von knapp hundert Euro in Rechnung stellte, und zahlte per Karte.
    Dann stieg ich in den Wagen, fuhr ein paar Meter bis zum Reifendruckmesser und stellte den Motor wieder ab. Betrachtete das Display.
    Mein Zeigefinger kreiste über der
Antworten
-Taste, schwebte weiter zu
Löschen
, wurde zurückgezogen.
    Ich war kein großer Fan von Kurzmitteilungen. SMS waren was für die achte Klasse – und angeblich für die Bundeskanzlerin.
    Und für Joachim Merz offenbar.
    Heute Nachmittag

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