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Ich bin der Herr deiner Angst

Ich bin der Herr deiner Angst

Titel: Ich bin der Herr deiner Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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noch in der Nähe?»
    «Lehmann fährt sie gerade nach Hause. Sie haben Eulers Wagen genommen. Der stand am nächsten.»
    «Gut», murmelte Albrecht. Für dieses Mal aus tiefstem Herzen. «Hannah, bis vor zehn Minuten war ich fest überzeugt, dass sich der Traumfänger als Sackgasse herausgestellt hat. Doch das Gegenteil ist der Fall: Freiligrath hat mir heute Vormittag einen eindeutigen Beweis geliefert, dass er über Täterwissen verfügt, bis in Eulers
Obduktionsmethode
hinein. Ich muss zurück nach Königslutter und die Leitung in Hamburg weiterhin bei Ihnen lassen.» Er fuhr sich über die Lippen. «Und ich möchte Sie bitten, mit
äußerster
Sorgfalt vorzugehen. Nein, Sie haben sich absolut nichts vorzuwerfen, doch diese Häufung gefällt mir einfach nicht: das
Fleurs du Mal
, die Zecke, nun Neverding … Es wird immer deutlicher, dass in diesem Fall gesellschaftliche Kreise betroffen sind, die Einfluss besitzen und …»
    «Die sich entsprechende Anwälte leisten können», murmelte sie, kaum zu hören.
    «Ja. Zum Beispiel. Und ich wollte einfach sagen … Passen Sie bitte auf sich auf.»
    Sie versprach es ihm.
    Sonderlich überzeugend klang sie nicht.
    Oder war es mehr als das?
    Da ist etwas, dachte Jörg Albrecht. Irgendetwas beschäftigt sie.
    War es das dritte oder vierte Mal im Verlauf dieser Ermittlung, dass dieses Gefühl auf einmal da war, wenn er mit Friedrichs sprach?
    Da ist etwas. Doch ich kann es nicht sehen.
    Er schüttelte den Kopf, verabschiedete sich und kündigte an, sich wieder zu melden, sobald er erneut mit Freiligrath gesprochen hatte.
    Und beendete das Gespräch.
    Er schloss die Augen.
    Brausendes, strudelndes Wasser.
    Nun stand es fest: Maximilian Freiligrath besaß Täterwissen. Entscheidende Informationen. Was der Hauptkommissar bisher zu hören bekommen hatte, war nichts gewesen als ein Appetithäppchen.
    Für die große, entscheidende Wahrheit würde er einen Preis zahlen müssen.
    Und Albrecht wusste nur zu gut, wie der Preis aussehen würde.
    Als er die Augen wieder öffnete, stand Maja Werden vor dem Caffeehaustisch, die Augenbrauen fragend gehoben.
    Jörg Albrecht holte Luft. «Ich mag Sie kaum darum bitten: Aber ob Sie mich wohl noch mal nach Königslutter fahren würden?»
    ***
    Mir war speiübel und schwindlig. Der schnurgerade Waldweg legte sich in Schlaufen und Windungen, meine Füße waren unfähig, einer geraden Linie zu folgen.
    Die Lücke im Buschwerk, der Ausgang zum Parkplatz, schien mit jedem Schritt weiter zurückzuweichen.
    Das Laub, das Herbstlaub flüsterte mir höhnisch, bedrohlich nach.
    Die Sache vor Ort hatte ich Matthiesen überlassen.
    Als ich aus der Hütte getaumelt war, hatte er mit seinem Laptop auf den Stufen der Veranda gesessen. Die Überprüfung sämtlicher Bankverbindungen der Neverding Holding war bereits in vollem Gange. Mit dem, was wir jetzt in der Hand hatten, hatte Alois Seydlbacher keine zwanzig Minuten gebraucht, um eine richterliche Anordnung zu erwirken.
    Durchsuchungen in der Konzernzentrale, in der Villa, auf dem gesamten Gelände der Stiftungen und des Kinderdorfs liefen in diesen Minuten an.
    Was im Fall Neverding konkret zu veranlassen war, hatten die Kollegen gut im Griff.
    Aber ich hatte die Leitung.
    Ich musste zurück, den Kopf klar kriegen. Zurück aufs Revier.
    Ich musste … weg hier.
    Das Laub. Das Flüstern des Laubes.
    Mir war klar, dass irgendwas mit mir nicht stimmte.
    Focco Neverding war tot, bei lebendigem Leibe von Parasiten aufgefressen, die dem alten Mann an
mindestens einem Dutzend Stellen
injiziert worden waren.
    Ein Parasit. Ich spürte, wie er in meinem Körper und meinem Hirn am Werk war.
    Doch dieser Parasit war von anderer Natur.
    Sein Name war Angst.
    Und diese Angst war größer als jemals zuvor. Größer als vor zwei Tagen, an dem Abend nach meinem Gespräch mit Oliver Ebert, als wir noch an einen Täter geglaubt hatten, der Jagd auf Angehörige unseres Reviers machte.
    Was ich jetzt fühlte, war anders. Es war unfassbar, und damit war es allgegenwärtig. Es war das Wissen, dass wir es mit einer Kreatur zu tun hatten, die … Wie hatte Jörg Albrecht gesagt, gestern Nachmittag, vor einem halben Leben, in Jonas Wolczyks Wohnung?
    «Dämonisch», flüsterte ich.
    Das war es.
    Ich hatte Dinge gesehen in den letzten vierzehn Jahren, Dinge, die ich meinem schlimmsten Feind nicht wünschte. Was Menschen anderen Menschen antun konnten, aus Hass, aus Wahnsinn, Grausamkeit – oder gar aus schierer

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