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Ich bin der Herr deiner Angst

Ich bin der Herr deiner Angst

Titel: Ich bin der Herr deiner Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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ich habe die abschließende Aussage im Kopf:
Ich persönlich trage die alleinige Verantwortung für meine Experimente. Sie stellen ausschließlich meine persönliche wissenschaftliche Leistung dar. Diese Hände …
» Er hob sie an, um die Worte zu unterstreichen.
«… waren es, die den Mann im Elbtunnel fixiert und das Mädchen über Bord gestoßen haben.»
    Ein phänomenales Gedächtnis, dachte Albrecht. Für jemanden, dem der Prozess doch nur aus der
Literatur
vertraut war.
    Was an den Tatsachen nichts änderte. Maximilian Freiligrath war mit dem Urteil hochzufrieden gewesen, und unübersehbar war er das heute noch. Ein Täter, der Menschen umbrachte, die zu diesem Urteil beigetragen hatten, arbeitete vielleicht nicht explizit
gegen
Freiligrath – aber jedenfalls nicht in seinem Interesse.
    «Aber warum sonst …» Albrecht schüttelte den Kopf.
    Denk nach! Dieser Mann führt dich einen Weg entlang. Doch vergiss niemals, dass er sehr viel mehr weiß, als er durchblicken lässt, und dass er ganz eigene Interessen hat. Offenbar sind sie nicht mit denen des Täters identisch – aber mit deinen Interessen genauso wenig.
    Pass auf! Auf jede einzelne Silbe!
    Freiligrath sog demonstrativ den Atem ein, öffnete und schloss seine Hände.
    «Ich wünschte wirklich, ich könnte Ihnen helfen, Herr Albrecht. Aber diese Dinge sind komplex. Schuldfragen in zurückliegenden Verfahren sind Angelegenheiten der Justiz. Und der Ermittler.
Ihre
Angelegenheit demnach. Als psychologischer Gutachter …»
    Albrecht spürte, wie auf seiner Stirn eine senkrechte Falte entstand.
    Max Freiligrath sagte kein einziges Wort einfach so dahin.
    Schuldfragen
. Warum sprach er von Schuldfragen? Er hatte gestanden. Noch heute trug er die lebenslängliche Haftstrafe mit stolzgeschwellter Brust vor sich her wie eine Anerkennung seiner wissenschaftlichen Leistung.
    Wer sollte …
    Ein Gedanke. Blitzartig.
    Die
Schuldfrage
.
    «Das Gericht war überzeugt von der Schuld des Täters», sagte Albrecht langsam. «Der Täter selbst war überzeugt von seiner Schuld. Aber was, wenn wir uns einen Dritten denken. Eine Person … sagen wir: den Witwer der Frau aus dem Tierpark oder den Sohn des Mannes, der am Elbstrand an seiner Sonnenangst zugrunde gegangen ist …»
    Sagen wir: Horst Wolfram?
    Albrecht schüttelte unmerklich den Kopf.
    Wolfram war in seinem selbstgewählten Wellblechgefängnis so sicher verwahrt wie Freiligrath in der geschlossenen Abteilung.
    «Eine Person», murmelte der Hauptkommissar, «die – aus welchen Gründen auch immer – davon überzeugt ist, dass das Gericht sich geirrt hat? Dass sich der wahre Schuldige die ganze Zeit in Freiheit befindet? Hätte eine solche Person nicht allen Anlass zur Rache?»
    «Eine alternative Schuldtheorie?» Freiligrath legte den Kopf auf die Seite. «Interessant. Sprechen Sie weiter!»
    «Ein Fehlurteil», murmelte der Hauptkommissar. «Irgendjemand glaubt an ein Fehlurteil. Aber warum wendet er sich dann nicht gegen den seiner Meinung nach Schuldigen?»
    Er sah den Traumfänger an.
    Achte auf seine Reaktion!
    «Hat er gar keinen konkreten Schuldigen? Hält er lediglich den rechtskräftig Verurteilten für unschuldig?»
    Keine Reaktion.
    «Oder hat er einen Schuldigen im Auge, legt es aber gar nicht darauf an, ihn zu töten? Will er die Aufmerksamkeit auf den alten Fall lenken …»
    «Herr Albrecht …»
    «… damit der Prozess neu aufgerollt und der seiner Meinung nach richtige Täter verurteilt wird?»
    «Herr Albrecht!» Entschlossener. Wie eine kalte Dusche.
    Der Hauptkommissar brach ab.
    «Herr Albrecht, das sind wirklich ganz wundervolle Theorien, doch wie ich Ihnen bereits sagte, bin ich weder Jurist noch Ermittler. Ich bin Psychologe. Fragen der Wahrheitsfindung muss ich Ihnen und Ihren Kollegen überlassen.»
    Schweigen.
    Ein langes Schweigen.
    Ein Schweigen, das …
    Er gibt mir Zeit zum Nachdenken. Auch das geschieht nicht ohne Grund.
    Nichts geschah ohne Grund bei Max Freiligrath.
    Warum hilft er mir überhaupt?
    Ich habe seine Frage beantwortet.
    Das kann unmöglich der einzige Grund sein.
    Freiligrath musterte ihn. «Allerdings könnte ich mir vorstellen, die Wahrheitsfindung sachverständig zu unterstützen», fügte der Traumfänger hinzu. «Wobei Ihnen klar sein muss, dass es sich hier um einen anderen Fall handelt.»
    «Ein anderer Fall?»
    «Ein vierundzwanzig Jahre zurückliegender Fall. Ein Fall, der – mit Verlaub – nicht in Ihrer Verantwortung lag. Und den

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