Ich bin der Herr deiner Angst
Überzeugung sagen, dass dies der einzige realistische Weg ist, den ich erkennen kann: Kommen Sie wieder, bringen Sie Horst Wolfram mit, den Mann, der Kenntnisse über die damalige Ermittlung besitzt wie kein zweiter, und ich kann Ihnen versprechen, dass wir nicht allein die Thematik um die leidige Schuldfrage klären werden, sondern Ihren gesamten diffizilen Fall – alles in einer einzigen Sitzung.»
Sein Gesichtsausdruck veränderte sich.
«Das, Herr Albrecht, ist mein Angebot. Sie können es ausschlagen, oder Sie können zumindest überlegen, ob Sie nicht doch einen Weg finden, auf meinen Vorschlag einzugehen.
Wobei ich Ihnen empfehlen würde, nicht zu lange zu überlegen, denn wenn ich unseren Täter auch nur einigermaßen richtig einschätze …» Sein Blick ging an Albrecht vorbei. «Ich fürchte, bis dahin kann ich für nichts garantieren.»
***
Meine Finger zitterten, als ich das Handy aus der Tasche zerrte.
Das Team, das die Traumfänger-Ermittlungen geführt hatte:
Ole Hartung. Kerstin Ebert.
Beide waren tot.
Horst Wolfram hatte eine Zivilstreife vor die Tür bekommen – selbst wenn sie nicht besonders effektiv war.
Der alte Hansen lag im Krankenhaus. Vor seinem Zimmer war ebenfalls ein Beamter postiert.
Aber Irmtraud selbst, die Frau, die die Verbindung zwischen den beiden Fällen für uns hergestellt hatte …
Wie hatten wir so blind sein können?
Ich tippte auf die zwei. Die Kurzwahl des Reviers.
«Aloha, Hannah!» Marco Winterfeldt. «Max Faber ist gerade …»
«Wo ist Irmtraud?»
Stille. Dann: «Was?»
«Wo zur Hölle ist Irmtraud?», brüllte ich. «Sitzt sie an ihrem Platz?»
«Wie … Moment …»
Schritte. Eine Tür.
«Nein.» Unterdrücktes Gemurmel, ein leises Klopfen – am Damenklo vermutlich. «Seltsam. An sich hat sie Dienst, oder? Ich hätte schwören können …»
«Wann hast du sie zuletzt gesehen?»
«Wie …» Nachdenkliches Schweigen. «Irgendwann mittags, glaub ich. Kurz nachdem ihr weg… Moment …»
«
Kein
Moment!», zischte ich. «Großfahndung! Alles, was wir haben! Ihr Bild an die Presse, sofort! Ein Spurensicherungsteam zum E.on-Gelände in Harburg! Ruf Euler an – mobil! Er soll alles stehen und liegen lassen in der Hütte. Das hier hat Vorrang!»
«Was … Soll ich nicht erst mal bei ihr zu Hause … Was ist denn passiert?»
Ich habe nicht die blasseste Ahnung, dachte ich.
«Hauptmeister Winterfeldt!» So scharf ich konnte. «Das sind dienstliche Anweisungen!»
«Ja … Ja, wir …»
«Bei ihr zu Hause versucht ihr’s außerdem!»
Aber da würden sie nichts finden.
Ich beendete das Gespräch.
Die Stille war dröhnend. Ich hörte meinen Pulsschlag in den Ohren. All die Anspannung der letzten Tage, der letzten Stunden … als hätte ich versucht, sie in diesem einen Anruf loszuwerden.
Doch sie war noch da, stärker denn je.
Und Wolfram …
Wie musste er sich fühlen?
Ich konnte den Mann, den vernichteten Mann spüren, auf der anderen Seite der Tür.
Er gab keinen Laut von sich.
«Herr Wolfram, Sie haben es gehört.» Mühsam gab ich meiner Stimme einen festen Klang. «Wir sind dran. Sie kennen das Procedere besser als jeder andere. Wenn sie irgendwie gefunden werden kann …»
«Sie kann nicht gefunden werden. Sie wird nicht gefunden werden. – Sie wird dann gefunden werden, wenn sie beschließen, dass sie gefunden werden soll.»
«Sie? Wer sind
sie
?»
Er gab keine Antwort.
Ein Geräusch, das ich im ersten Moment nicht einordnen konnte.
Erst das anschließende Seufzen, das leise Schwappen einer Flüssigkeit …
Eine Flasche, die jetzt wieder geschlossen wurde.
Jack Daniels, dachte ich. Des Bullen bester Freund.
«Es ist bedeutungslos, wer sie sind.» Die Stimme klang jetzt eine Spur kräftiger. «Fest steht nur eines. Sie ist nicht tot. Noch nicht.»
Ich setzte zum Widerspruch an, vorsichtig, um den Mann zu schonen, doch im selben Moment …
Ich schloss den Mund, ohne ein Wort gesagt zu haben.
Wieder war es ein Gefühl, ein deutliches Gefühl: Wolfram hatte recht, selbst wenn ich die Gründe noch nicht verstand.
Irmtraud lebte. Noch.
Doch wir hatten keine Chance …
Ich sog die Luft ein.
Es gab einen völlig anderen Weg!
Warum war ich hergekommen?
Ich hatte eine Spur! Ich hatte den Täter mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit identifiziert. Alles was mir fehlte, war das letzte Puzzlestück, die Verbindung zu Max Freiligrath.
«Joachim Merz», sagte ich gepresst. «Was sagt Ihnen der
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