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Ich bin der Herr deiner Angst

Ich bin der Herr deiner Angst

Titel: Ich bin der Herr deiner Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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zu klären daher auch nicht Ihre Aufgabe ist.»
    Albrecht kniff die Augen zusammen.
    Es
gab
keinen Fall zu klären. Es brauchte keinen
Sachverständigen
, um ihn zu klären! Der Fall war geklärt, seit vierundzwanzig Jahren! Freiligrath war schuldig, schuldig, schuldig, und er schmückte sich mit seiner Schuld!
    Nur ein einziger Mensch sah das anders: Jörg Albrechts Täter. Und dessen Verbündete möglicherweise. Die Sargträger oder als was auch immer sie außerdem in Erscheinung getreten waren.
    Doch
wenn
es damals einen alternativen Täter gegeben hatte, dann war er die entscheidende Spur zu der Person, die Ole Hartung, Kerstin Ebert und die anderen getötet hatte!
    Wenn es einen alternativen Täter gegeben hatte …
    Den hat es nicht gegeben.
    Du hast jedes Wort der Ermittlungsakten gelesen, die kompletten Gerichtsprotokolle. Du hast ganze Nächte damit zugebracht, dieses Zeug durchzugehen. Wie im Zwang hast du diese Dinge aufgesogen, hast gegen die Bilder gekämpft, wie Horst Wolfram gefühlt haben muss, als die Grenze zwischen den Welten einbrach. Hast dir geschworen, dass dir selbst das niemals, niemals, niemals …
    Es hatte keinen alternativen Täter gegeben.
    Freiligrath war gefasst worden, hatte gestanden und war verurteilt worden.
    Wenn irgendein Mensch etwas über einen anderen möglichen Täter …
    Die Erkenntnis kam von einem Moment auf den anderen. Die Objekte im Raum mussten nicht zusammengesetzt werden.
    Sie befanden sich dort, wo sie sich immer befunden hatten: an der Stelle, an die sie gehörten.
    Doch jetzt erst, auf einen Schlag, konnte Jörg Albrecht sie sehen, die Zusammenhänge begreifen.
    Er begriff nicht alles, natürlich nicht. Sein Fall war noch längst nicht am Ende.
    Doch er begriff, worauf das absurde Spiel abzielte, das Maximilian Freiligrath seit gestern Abend mit ihm aufführte.
    Sein erster Toter? Seine größte Angst?
    Das war Freiligrath schnurzpiepegal!
    Er mochte sich an den Gewissensqualen des Hauptkommissars ergötzt und seinen Sieg genossen haben, als Albrecht ihm die Geschichte erzählt hatte.
    Doch in Wahrheit hatte Albrecht nur eines getan: Er hatte mit Klauen und Zähnen darum gekämpft, dass das ‹wissenschaftliche Gespräch› an
genau diesen Punkt
kommen konnte, an dem Maximilian Freiligrath jene Forderung stellen konnte, auf die es ihm einzig und allein ankam.
    Schwärze war vor die Augen des Hauptkommissars getreten, und aus der Schwärze schälte sich ein Bild:
    Ein heruntergekommenes Gelände am Rande des Raffineriehafens.
    Ein Wohnmobil, ein Sarg aus Blech.
    Ein Schrei aus dem Innern, als Jörg Albrecht den Namen Freiligrath auch nur ausgesprochen hatte.
    Ein Fall, der – mit Verlaub – nicht in Ihrer Verantwortung lag.
    «Sie …» Albrecht schluckte. «Sie haben ja keine Ahnung, was Sie getan haben!», flüsterte er. «Sie haben ja keine Ahnung, wie dieser Mann heute ist! Sie …»
    Er öffnete die Augen und starrte den Psychologen an, der ihm mit übereinandergeschlagenen Beinen gegenübersaß, lauschte seinem eigenen Satz nach.
    «Sie haben ja keine
Ahnung
, wie er heute ist.»
    Vierundzwanzig Jahre …
    Der Traumfänger nickte.
    Es war ein anerkennendes Nicken, wie ein Lehrer es seinem Lieblingsschüler zukommen lässt. Ein Nicken, bei dem sich Albrecht der Magen umdrehte.
    «Sehen Sie, mein lieber Herr Albrecht. Nun, da es Ihnen gelungen ist, wissenschaftlich zu denken, wird es Ihnen auch möglich, meinen Gedanken zu folgen.
    Ich will nicht leugnen, dass es für mich von einigem Interesse ist, wie es meinem letzten Probanden ergangen ist, nach so langer Zeit.
    Doch das muss Sie nur ganz am Rande interessieren.
    Habe ich es Ihnen nicht versprochen?
    Habe ich Ihnen nicht versprochen, dass wir alle beide wichtige und entscheidende Erkenntnisse gewinnen würden, wenn Sie sich nur ernsthaft auf einen wissenschaftlichen Gedankenaustausch einlassen?
    Und was stellen wir fest?
    Wir stellen fest, dass wir diesen gesamten, komplizierten Fall gemeinsam lösen können: Sie, ich – und Horst Wolfram.»
    Das Gefühl in Albrechts Magen war unvergleichlich.
    Selbst als er für den Bruchteil einer Sekunde ernsthaft geglaubt hatte, eine tödliche Arsendosis zu sich genommen zu haben, hatte es sich nicht so angefühlt.
    «Gemeinsam?», flüsterte er. «Sie glauben, Horst Wolfram würde
herkommen
? Niemals!»
    «Wir werden sehen.» Freiligrath hob die Schultern. «Vielleicht werden wir ja positiv überrascht?
    Auf jeden Fall kann ich Ihnen aus voller

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