Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich bin der Herr deiner Angst

Ich bin der Herr deiner Angst

Titel: Ich bin der Herr deiner Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
Vom Netzwerk:
Name?»
    Keine Antwort. Zwei Sekunden lang.
    «Wer?»
    Das erste Wort, das sich anhörte, wie es sich auch bei einem normalen Menschen angehört hätte.
    «Der Anwalt. Der Promianwalt. Der Mann, der Margit Stahmke vertreten hat und der … Wir …»
    Wir
haben gar nichts, dachte ich.
Du
bist mit ihm ins Bett gegangen.
Du
hast ihn die ganze Zeit unter Verdacht gehabt und keinem Menschen ein Wort davon gesagt.
    Ganz gleich, was passierte: Das war das Ende meiner Bullenkarriere.
    Aber darauf kam es schon längst nicht mehr an.
    «Wir haben Hinweise, dass er in den Fall verwickelt sein könnte», sagte ich. «Dass er es ist, der im Hintergrund …»
    «Nein.»
    Ich brach ab.
    «Ich habe diesen Namen noch nie gehört. Vielleicht ist es einer der Namen, die in Frage kommen, vielleicht auch nicht. Es ist gleichgültig, mit was für Namen Sie mir kommen. Ich weiß, was hier geschieht.»
    Meine Kehle war plötzlich dicht.
    «Er ist es.» Aus dem Wohnmobil.
    «Er?», krächzte ich. «Ma… Maximilian Freiligrath?»
    «Er will mich.»
    «Das ist ausgeschlossen.» Ich klang noch immer wie ein Fahrradschlauch, aus dem unkontrolliert Luft entweicht. «Die Morde haben Ähnlichkeit mit seinen Taten, aber er selbst kann es nicht sein.»
    «Das hat er auch nicht nötig. Er hat schon … immer … Helfer gehabt. Er ist … noch nicht … fertig mit mir.»
    Die Worte wurden hervorgestoßen, als bliebe dem Mann im Innern des Wohnmobils die Luft weg.
    «Bitte machen Sie auf! Bitte! Wir müssen …»
    Das Unglaubliche geschah.
    Die Tür öffnete sich.
    Ich zuckte zurück.
    Er war tot. Nach allem, was wirklich zählte, war er nicht mehr am Leben.
    Es gab keine Farbe mehr an diesem Mann. Er war – grau. Alles an ihm: Die Haut, Haare und Augen, die Lippen eine etwas dunklere Abtönung von Grau. Selbst die Kleidung, ein ausgewaschener Jogginganzug.
    Horst Wolfram war tot. Er hatte es nur noch nicht mitbekommen.
    Und ungefähr so roch er auch.
    Wenn ich jemals einen Menschen gesehen hatte, der tatsächlich
fertig
war, in absolut jeder Hinsicht, dann war es dieser Mann.
    Wenn der Traumfänger diesem Schatten eines Menschen den Gnadenstoß gegeben hätte: Wäre das nicht wirklich eine Gnade gewesen?
    Wolfram
musste
sich täuschen. Max Freiligrath war ein Genie. Er hatte seine Kräfte mit Jörg Albrecht gemessen, und es war nicht unser Chef, der gewonnen hatte.
    Was sollte er mit Wolfram noch anfangen? Welchen Kitzel sollte es einem solchen Menschen bringen, jemanden zu vernichten, der nur noch dahinvegetierte?
    «Ich hatte Zeit, Frau Friedrichs.» Selbst Wolframs Stimme klang nicht mehr lebendig – wie das Rascheln des Windes in den toten Blättern des Sachsenwalds. «Vierundzwanzig Jahre lang, vor allem aber in den Tagen, seitdem es wieder begonnen hat. Zeit, die Berichterstattung zu verfolgen, Ihre Ermittlungen, soviel ich in den Medien darüber erfahren konnte. Zeit, mich an die Namen zu erinnern, an Ole Hartung. An dieses junge Mädchen, das damals zu uns gestoßen ist, kurz bevor es vorbei war.»
    Das junge Mädchen, dachte ich. Kerstin. Mit dem Traumfänger-Fall hatte ihre Kripolaufbahn begonnen – und mit dem Traumfänger-Fall hatte sie geendet.
    «Diese Journalistin …» Sein Blick ging an mir vorbei. «Vieles, was damals geschehen ist, in den Monaten danach – der Prozess –, ist verschwommen, doch ich weiß, dass sie schon damals berichtet hat. Dass auch der Gutachter eine Rolle spielte, Möllhaus, der in Braunschweig gestorben ist.
    Ich habe es beobachtet, Frau Friedrichs, und ich weiß, dass gleichzeitig
er mich
beobachtet hat. Ja, ich weiß, dass er es nicht selbst sein kann. Ich weiß, dass er noch immer in Haft sitzt. Irmtraud hat es mir erzählt …»
    Und es war gut, dachte ich, dass sie in diesem Fall gelogen hat. Haft klang sehr viel besser als Sicherungsverwahrung, nachdem ich gesehen hatte, wie die Sicherungsverwahrung in diesem Fall aussah.
    «Aber ich habe seine Augen gespürt», flüsterte Wolfram. «Augen … in der Dunkelheit. Sie beobachten mich, und sie kommen näher: jede Nacht. Sie wissen, dass ich nicht mehr fortkann, egal, wohin ich gehen würde. Sie wissen … wissen, dass ich weiß.
    Er will
mich
.
    Ich lebe, Frau Friedrichs. Ist das nicht Beweis genug?»
    Er sah mich an.
    Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Es gab keine Antwort.
    Warum sind Sie nicht gestorben, wie alle anderen seiner Opfer gestorben sind?
    Warum haben Sie sich nicht einfach einen Strick genommen wie Ihre Frau das

Weitere Kostenlose Bücher