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Ich bin der Herr deiner Angst

Ich bin der Herr deiner Angst

Titel: Ich bin der Herr deiner Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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es steil bergauf ging, und ein paar altertümliche Anstaltsgebäude, die sich in der kahlen Parkanlage versteckten.
    «Eine Person», flüsterte die Beamtin. «Sie kommt auf uns zu. Mehr oder weniger. Können Sie erkennen, ob da überhaupt ein Weg ist?»
    «Ein Patient kann es nicht sein», murmelte Cornelius. Er justierte das Fernglas und war jetzt ganz bei der Sache. «Die Klinikleitung hat uns zugesagt, dass niemand die Stationen verlässt, bis wir Entwarnung geben. Weder Patienten noch Personal. Jemand von außen?»
    «Dort oben ist das Bergcafé», wisperte ich. «Hat jetzt unter Garantie zu, aber Parkplätze haben die mit Sicherheit auch.»
    «Sehen Sie was?» Er reichte mir den Apparat weiter.
    Ich nahm das Fernglas entgegen, brauchte aber einen Moment, um mich auf den ungewohnten Anblick einzustellen. Der Restlichtverstärker produzierte einen Grünstich, dass es den Augen wehtat.
    Die erleuchteten Fenster der Klinikgebäude stachen in greller Helligkeit hervor, außerdem die Lichtkegel einer Laternenreihe, die parallel zu einem gepflasterten Fahrweg steil bergauf führte – scharf rechts von uns, auf drei Uhr, fast schon schon halb vier.
    Weiter links. Die Person musste weiter links sein.
    Die Bäume, kahle Skelette, noch geisterhafter unter den veränderten Lichtverhältnissen. – Da! Eine huschende Bewegung, nah am Boden, keine zwanzig Meter entfernt! Nein … Nein, viel zu klein. Ein Igel.
    «Ich kann nichts …», begann ich.
    Im selben Moment hatte ich ihn.
    Eine Männergestalt, schlank, dunkelhaarig, soweit das zu erkennen war, noch gut zwei- oder dreihundert Meter von uns weg. Soweit ich sehen konnte, kam der Fremde querfeldein über die Wiese, zwischen den Bäumen hindurch. Wenn ich die Achse verlängerte, konnte er am Café geparkt haben.
    Mein Puls beschleunigte sich.
    Unser Täter – oder irgendein Mensch, der überhaupt nichts mit uns zu tun hatte. Ein Pfleger auf dem Weg zur Schicht. Wenn die Klinikoffiziellen niemanden aus den Stationen ließen, bedeutete das nicht, dass sie auch sämtliche Leute erreicht hatten, die jetzt erst ihren Dienst begannen.
    «Ich sehe ihn», murmelte ich, brach ab, als er mir für einen Moment entwischte. Nein, da war er wieder, schien sich absichernd über die Schulter zu blicken. Weiter, mit eiligen Schritten. «Nein, er bewegt sich nicht in gerader Linie. Als … als wenn er Deckung sucht …»
    Cornelius murmelte etwas zu den Kollegen, und im nächsten Moment lösten sich drei, vier schattenhafte Gestalten aus dem Buschwerk, huschten in Richtung Park und schlugen einen weiten Bogen nach rechts.
    «Sie versuchen ihn in die Zange zu nehmen», flüsterte Cornelius. «Können Sie erkennen, ob er bewaffnet ist?»
    Ich öffnete den Mund.
    «Negativ.» Eine Männerstimme kam mir zuvor. «Keine offensichtlichen Waffen.» Ich war nicht die Einzige mit Fernglas.
    Noch immer war es unmöglich, Gesichtszüge auszumachen. Der Fremde bewegte sich zu schnell, unvorhersehbar. Gewandte Bewegungen wie bei einem Panther. Eine Spannung in diesem Körper … Die Spannung eines Tänzers, eines Athleten, eines Menschen, der es gewohnt ist, dass sich alle Augen auf ihn richten …
    Ein Kloß in meinem Hals.
    Diese Art, sich zu bewegen, hatte etwas Aufregendes und doch zugleich etwas Vertrautes. Ein schattenhafter Körper zwischen Bäumen und Buschwerk … Eine Sekunde lang hatte ich das Gefühl, als ob ein schwacher Duft mich streifte:
Anthaeus
von Chanel.
    Doch er war natürlich noch viel zu weit weg.
    Joachim. Mit einem Mal wusste ich es.
    Der Kloß wuchs zu einem Knebel an.
    «Kommissarin?», fragte Cornelius besorgt.
    Ich bekam keinen Ton raus.
    Joachim Merz. Ich hatte es gewusst, die ganze Zeit gewusst, seit Tagen. Die Hinweise waren so deutlich gewesen, die Verdachtsmomente so zwingend … Am Ende hatte ich mir in irgendeinem finsteren Winkel meines Hirns geradezu eingeredet, dass er es unmöglich sein konnte, eben
weil
er so verdächtig war.
    Hatte er über mir gekniet, während ich ihm nackt und mit verbundenen Augen zu Füßen lag, Gänsehaut auf meinem Körper, und hatte mich aus schmalen Augenschlitzen beobachtet? Hatte er hin und her überlegt, ob er die Gelegenheit ausnutzen sollte?
    Oder war ich einfach noch nicht an der Reihe gewesen?
    Meine Finger krallten sich um das Nachtsichtgerät. Gefühllos, taub.
    Joachim war keine hundert Meter mehr weg und blieb einen Moment stehen. Jetzt konnte ich ihn zweifelsfrei erkennen.
    Sein Gesicht wirkte angespannt –

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