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Ich bin der Herr deiner Angst

Ich bin der Herr deiner Angst

Titel: Ich bin der Herr deiner Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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Hauptkommissar.
    «Ja.» Keine Regung.
    Ganz weit weg.
    «Gut», murmelte Albrecht und nickte knapp.
    Der Mann bekam es ohnehin nicht mit.
    «Ich bin sofort wieder da.»
    Der Hauptkommissar holte Luft.
    Ich hasse Überraschungen.
    Die Tür hatte keinen Drücker, sondern lediglich einen Kunststoffknauf. Auf sanften Druck öffnete sie sich.
    Hinter der Tür führten die Stufen weiter in die Tiefe, aber sie wirkten freundlicher, breiter und großzügiger und endeten an einem Vorhang aus Grün: Weidenstämme, die aus weichem Boden wuchsen. Ein Wald im Innern des Gebäudes.
    Albrecht strich die Zweige beiseite – und blieb wie angewurzelt stehen.
    Die Illusion war perfekt. Ein Draußen für jene Menschen, die die Mauern der geschlossenen Abteilung von Königslutter nicht verlassen durften. Ein Draußen im Innern des alten Mühlengebäudes. Tageslichtleuchten, in strategisch angeordneten Nischen verborgen, gaben der Pflanzenwelt Helligkeit, die sie am Leben erhielt.
    Der Kellerraum musste den gesamten Grundriss einnehmen. Gemauerte Säulen, Gewölbe aus der Entstehungszeit des Gebäudes, die teilweise an Ort und Stelle belassen worden waren, um die Decke zu stützen: Backstein, unverkleidet in diesem Fall, im Innern vermutlich mit Stahl verstärkt, um die Statik nicht zu gefährden. An der gegenüberliegenden Seite ein halb in die Mauer eingelassenes Häuschen wie eine uralte Kapelle: eine Ruinenarchitektur, an der Efeu emporrankte.
    Die linke Hälfte des Raumes wurde von einer zerklüfteten Felsenlandschaft eingenommen. Königslutter lag am Fuße eines der nördlichsten ins Flachland vorgeschobenen Ausläufer des Harzes. Hier, genau hier, war der Ort, an dem die Felsen, die Knochen der Erde, an die Oberfläche stießen wie eine lange verleugnete Erinnerung.
    Aus einem Dickicht von immergrünen Sträuchern sprudelte ein Wasserlauf, plätscherte über eine Reihe von Kaskaden, bevor er am anderen Ende des großen Raums strudelnd und gurgelnd in einem in die Mauer eingelassenen Metallgitter verschwand.
    Zur Schleusenanlage.
    Nein, es war keine Frage mehr, dass Freiligrath diesen Ort ganz bewusst gewählt hatte. Eine Kulisse, dachte Albrecht, wie geschaffen für den letzten Akt des düsteren Kammerspiels, in dem er selbst gegen seinen Willen zum Protagonisten geworden war.
    In der Mitte des Raumes sammelte sich das Wasser in einem kleinen Weiher, der wie ein Werk der Natur erschien, trügerisch echt. Eine hölzerne Plattform ragte über den Teich wie ein Bootssteg, eine Reihe von Korbsesseln, für die Gruppentherapie vermutlich.
    Und auf einem davon saß Maximilian Freiligrath. Als er den Hauptkommissar erblickte, stand er langsam auf.
    «Herr Albrecht.» Die Andeutung eines Nickens. Ein erwartungsvoller Blick auf den Vorhang aus Grün hinter dem Hauptkommissar. Die Augen des Traumfängers verengten sich. «Erzählen Sie mir nicht, Sie kommen allein!»
    Albrecht antwortete nicht.
    «Herr Albrecht, ich muss Ihnen kaum sagen, dass ich äußerst enttäuscht wäre, wenn sich herausstellen sollte, dass Sie allein gekommen sind. Was wir beide über Ihren Fall konstatieren konnten, haben wir erörtert. Ich brauche kaum zu betonen, dass das, was wir gemeinsam herausgearbeitet haben, mehr war, sehr viel mehr, als ich Ihnen unter den gegebenen Umständen …»
    «Sie haben vierundzwanzig Jahre auf diese Gelegenheit gewartet», unterbrach ihn Albrecht. «Ich bin mir sicher, dass Sie noch zehn Minuten länger warten können, während wir beide uns über die Regeln unterhalten.»
    Freiligraths Blick wurde härter. «Die Regeln sind Ihnen bekannt, Herr Albrecht.»
    Der Hauptkommissar nickte langsam. «Richtig, Herr Freiligrath. Die Regeln, unter denen Sie bereit waren, mich bei meiner Ermittlung zu unterstützen, sind mir bekannt. Ich habe mich an sie gehalten. Bis zu diesem Moment.» Der Psychologe öffnete den Mund, doch Albrecht ließ ihn nicht zu Wort kommen. «Ich habe mich an sie gehalten,
obwohl
Sie sie mitten im Spiel verändert und mich vom Wissenschaftler zum Probanden herabgestuft haben. Ich habe mich an sie gehalten, weil ich tatsächlich glaubte, dass ich nichts in der Hand hätte, das für Sie von Wert ist. Doch ganz offensichtlich hat sich die Lage geändert. Horst Wolfram wartet vor dieser Tür.» Er nickte über die Schulter. «Und er wird diesen Raum erst dann betreten, wenn ich ihn darum bitte.»
    Der Blick des Traumfängers durchbohrte ihn.
    Eine menschliche Regung, stellte Jörg Albrecht fest. Keine sehr freundliche,

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