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Ich bin der Herr deiner Angst

Ich bin der Herr deiner Angst

Titel: Ich bin der Herr deiner Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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wenig davon hatte er sich erkauft, indem er Faber auf dem Präsidium hatte anrufen lassen. Der Hauptkommissar werde gegen Mittag persönlich vorbeikommen, um Isolde Lorentz über spektakuläre neue Erkenntnisse zu informieren, die sich gerade aus einem Verhör ergeben hätten.
    Ein frommer Wunsch.
    Die Frau, die ihm und Friedrichs gegenübersaß, trug Schwarz. Sie war Anfang vierzig, ungefähr so alt wie David Martenbergs Mutter gewesen war, als ihr Sohn in der Schleuse ertrank. Frau Martenberg, die Nachbarin von Albrechts Eltern, an die er sich von diesem Tag an nur noch in Schwarz erinnern konnte, bis die Familie weggezogen war.
    Die Mitglieder der Spinnenbande tanzten in seinem Kopf Ringelreihen, und in ihrem Zentrum thronte Heiner Schultz und stieß eine unheilverkündende Nikotinwolke aus:
    Die Frage ob
Sie
ein Held sind, Jörg, ist in der Tat abwegig.
    Der Hauptkommissar biss die Zähne zusammen.
    Er durfte nicht zulassen, dass die Vergangenheit in diesem Moment wieder Macht über ihn gewann. Er war der Boss. Schon wieder. Das Revier und seine Menschen: Das war seine Verantwortung.
    Und deshalb musste die Vergangenheit ruhen.
    «Danke, dass wir sofort kommen durften», sagte er.
    Die dunkel gekleidete Frau neigte nur den Kopf. Martha Müller, gebürtige Rumänin mit deutschen Vorfahren. Die Personalien hatten sie bereits aufgenommen.
    Hannah Friedrichs’ Notizblock lag einsatzbereit auf dem Küchentisch der Dreizimmerwohnung in einem Wohnsilo in Eppendorf. Während sie der Frau in die Küche gefolgt waren, hatte Albrecht einen ersten Eindruck gewonnen. Alles sehr aufgeräumt, aber auch eine Menge Kitsch. Eine Spätaussiedlerfamilie, nein, eine Spätaussiedlerwitwe. In jedem Zimmer das Schwarzweißfoto eines Mannes in Albrechts Alter, mit Trauerflor. Selbst über der Spülmaschine.
    «Valentin hat im Hafen gearbeitet.» Martha Müller hatte seinen Blick bemerkt. «Am sechzehnten Mai hatte er einen … Unfall. Sie haben ihn noch ins Krankenhaus gebracht, aber in der Nacht ist er dann …» Sie holte Luft.
    Albrecht nickte und sah auf die blank geputzte Tischfläche.
    Wie oft brechen wir in den Alltag von Menschen ein, dachte er. Wir stehen vor der Tür, und wenn sie uns sehen, verändern sich ihre Gesichter. Manchmal sind nicht einmal unsere Ausweise notwendig. Als wenn sie etwas ahnten. Doch selbst wenn wir es offen aussprechen: Ihr Mann, Ihre Tochter, Ihr Vater, Bruder, bester Freund ist tot. Begreifen können sie es nicht in diesem Moment.
    Wir können sie nur ein kleines Stück begleiten, ihnen Genugtuung bieten, indem wir einen unnatürlichen Todesfall aufklären.
    Doch von dem, was danach geschieht, wissen wir nichts. Die Trauer müssen sie ein Leben lang tragen, ganz alleine. Wie jeder Mensch. Auch die, die keinen anderen Schuldigen ausmachen können als eine Krankheit oder einen Unfall.
    «Ich bin jeden Tag bei ihm», sagte Martha Müller und strich das Synthetikgewebe ihres Rocks glatt. «In Ohlsdorf.»
    «Auch gestern also.» Albrechts Worte waren eine Feststellung.
    Die Frau steckte mitten in ihrer eigenen Trauerarbeit. Wie er sie einschätzte, legte sie keinen Wert darauf, Dinge zu erklären, die für sie selbstverständlich waren.
    «Auch gestern», bestätigte sie. «Ich komme bei jedem Wetter. Gestern war ich die Einzige dort.»
    Er kniff die Augen zusammen. «Zu meinem Kollegen sagten Sie …»
    «Die Frau, die sie im Fernsehen gezeigt haben.» Sie unterbrach ihn, ohne die Stimme zu heben. Noch immer derselbe erloschene Blick, doch er konnte sehen, dass dort etwas vorging. «Ihre Kollegin?»
    «Kerstin Ebert», erklärte Friedrichs. Nur Albrecht hörte ihre Ungeduld. «Sie wohnte ganz in der Nähe des Friedhofs.»
    «Sie war fast jeden Tag dort. Im Sommer hatte sie oft einen kleinen Jungen dabei.»
    «Raoul.» Die Kommissarin klang heiser.
    «Ihr Sohn», übernahm der Hauptkommissar. «Aber gestern muss sie allein dort gewesen sein.»
    Martha Müller schüttelte den Kopf. «Gestern habe ich sie nicht gesehen.»
    Albrecht antwortete nicht, sondern sah sie abwartend an. Die Jahre als Ermittler hatten ihre Spuren hinterlassen. Er spürte, ob ein Zeuge noch etwas zu sagen hatte oder ob die Aussage an dieser Stelle beendet war.
    Vorausgesetzt, der Zeuge war gewillt zu reden. Manche Menschen warteten trotzdem noch auf ein Stichwort, doch er war sich sicher, dass Müller nicht zu ihnen gehörte.
    «Ich weiß nicht, ob das für Sie wichtig ist …», begann die Frau.
    Albrecht merkte, wie Friedrichs

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