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Ich bin der Herr deiner Angst

Ich bin der Herr deiner Angst

Titel: Ich bin der Herr deiner Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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an seiner Seite Luft holte, und unterdrückte ein Lächeln. Gerade die wichtigsten Aussagen begannen regelmäßig mit diesen Worten.
    Müllers Schultern strafften sich. Sie hatte eine Entscheidung getroffen.
    «Ich muss gleich sagen, dass ich mich nie mit einem von den beiden unterhalten habe.» Sie sah zwischen Albrecht und Friedrichs hin und her. «Weder mit Ihrer Kollegin – noch mit dem Mann.»
    «Ein Mann?»
    Sprach Überraschung aus Friedrichs’ Tonfall oder genau das Gegenteil?
    «Ein alter Mann.» Martha Müller nickte. Wieder der unbewusste Griff nach ihrem faltenlosen Synthetikrock. «Auch einer von denen, die jeden Tag da sind. Ich weiß nicht, ob er zu einem bestimmten Grab gehört … also, ob er jemanden besucht. Ich hatte immer das Gefühl, er fährt einfach nur spazieren.»
    «Er fährt?»
    «In einem Rollstuhl. So einem einfachen, ohne Motor.»
    Albrecht wechselte einen Blick mit der Kommissarin. Ein alter Mann in einem Rollstuhl.
    «Können Sie ihn genauer beschreiben?», fragte er.
    Müller legte die Hände im Schoß ineinander. «Ein alter Mann eben. Weiße Haare. Er hatte ein Tuch um den Hals, selbst als es richtig heiß war. Über den Knien eine Decke.» Sie betrachtete ihren Rock.
    «Wie alt ungefähr?»
    Müller hob die Schultern. «So alt, dass er im Rollstuhl fahren muss. Er hat … ja, er hat eine Brille. Zumindest beim Lesen. Wenn er ihr vorgelesen hat.»
    «Er hat Kerstin
vorgelesen

    Der Hauptkommissar warf Friedrichs einen Blick zu.
Das
hätte man als Unglaube interpretieren können. Zur Schau getragener Unglaube machte Zeugen manchmal gesprächiger.
    Dabei allerdings nicht zuverlässiger.
    Die Frau im schwarzen Kostüm zögerte. «So sah es für mich aus, ja. Nicht jedes Mal natürlich. Manchmal haben sie sich einfach nur unterhalten, oder sie sind spazieren gegangen. Also, sie hat ihn geschoben.»
    «Sie hat ihn geschoben», murmelte Friedrichs. Diesmal war der Unglaube unüberhörbar.
    «Die beiden kannten sich also?», fragte Albrecht rasch.
    Müller nickte. «Ja, auf jeden Fall. Aber sie sind nie zusammen gekommen. Ich bin mir sicher, dass sie sich erst auf dem Friedhof getroffen haben. Ich habe mir immer vorgestellt …»
    «Ja?» Der Hauptkommissar betrachtete sie aufmerksam.
    Die Frau seufzte. «Wissen Sie, es ist irgendwie seltsam auf dem Friedhof. Ich meine, wenn das Wetter schön ist, sind eine Menge Leute da. Manche joggen einfach nur oder fahren Fahrrad, weil der Park und alles so schön ist, aber … Ich meine jetzt diejenigen, die jemanden besuchen. Die sind fast immer allein. Die sind immer einsam.» Ihre Stimme wurde leiser, ihre Hände bewegten sich unruhig. «Manchmal ist es so, dass ich mir Geschichten ausdenke zu den Leuten, die ich immer wieder treffe. Und bei den beiden habe ich mir irgendwie vorgestellt, dass sie sich dort kennengelernt haben. Beide einsam. Seine Familie ist vielleicht tot, und sie … Vielleicht gibt es keinen Vater mehr zu dem Kind, mit dem sie schwanger war. Das sah man ja deutlich. Also keinen, mit dem sie noch zusammen ist.» Sie schüttelte plötzlich den Kopf. «Zusammen war.»
    «Bitte sprechen Sie weiter!»
    Albrecht spürte ein Prickeln im Hinterkopf. Ein Warnzeichen, auf das zu achten er gelernt hatte. Er war lange genug in seinem Beruf, um zu wissen, wie wichtig Eingebungen waren. Und eine innere Stimme sagte ihm, dass Martha Müller ein Mensch war, der über ganz außergewöhnliche Instinkte verfügte.
    Hannah Friedrichs’ Blick dagegen sagte ihm, was die Kommissarin von der ganzen Sache hielt.
    Nicht sonderlich viel.
    Martha Müller breitete die Hände aus. «Ich habe mir vorgestellt, dass sie sich irgendwie
gefunden
haben. Vielleicht hat er sich immer eine Enkeltochter gewünscht, und sie … Sie brauchte einen Menschen, mit dem sie reden konnte. Jemanden, der so gar nichts mit ihrem Leben zu tun hatte, das sie sonst führte. Dem sie Dinge anvertrauen konnte, weil er die Menschen in ihrem Leben einfach nicht kennt. Und den hat sie gefunden.»
    «Das war Ihr Eindruck?»
    Müller zögerte und schüttelte dann den Kopf. «Kein Eindruck», sagte sie. «Ein Gefühl.»
    «Danke.» Albrecht nickte und sah fragend zu Friedrichs.
    Die Kommissarin betrachtete ihren Schreibblock. Unübersehbar, was sie von diesen Notizen hielt.
    Doch das hatte keinen Einfluss auf ihr dienstliches Verhalten.
    «Wir werden Ihnen jemanden vorbeischicken, der mit Ihrer Hilfe versuchen wird, ein Bild zu gestalten», erklärte sie kühl.
    «Ein …

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