Ich bin der Herr deiner Angst
«Er könnte ihr vorgeschlagen haben, sich unterzustellen. Und als er sie genau an dem Punkt hatte, an dem er sie haben wollte, hat er seine Höllenmaschine abgefeuert. Wie auch immer die ausgesehen hat.»
«Da haben die Kollegen vom Strahlenschutz noch unterschiedliche Theorien – aber genau so könnte es gewesen sein.»
Ich nickte. Simpel. Grauenhaft simpel. Doch dann stutzte ich.
«Wie weit ist es von diesem Mausoleum zum Fundort der Leiche?», fragte ich.
«Etwa anderthalb Kilometer.»
Ich schüttelte den Kopf. Wie sollte er Kerstins Körper über eine so weite Strecke …
«Euler?»
«Hauptkommissar?»
Albrecht sah weiter geradeaus, aber
lächelte
er?
«Euler, sind die Spuren des Rollstuhls deutlich genug, dass Sie das Fabrikat bestimmen können?»
Ein Japsen vom anderen Ende, dann: «Ja. Vermutlich.»
«Danke.» Albrecht setzte den Blinker zum Revier. «Sie haben uns sehr geholfen.»
Für den Moment sah er ausgesprochen zufrieden aus.
***
Ole Hartung.
Kerstin Ebert.
Zwei Namen auf dem Whiteboard.
Und darunter eine Menge freier Platz. Mehr als mir lieb war.
Bei allem Verständnis für die rationelle Arbeitsweise unseres Herrn und Meisters: Hätte er nicht einfach
irgendwas
da hinschreiben können?
Solange es nicht gerade Max Faber, Nils Lehmann oder – ich schluckte – oder Hannah Friedrichs war. Oder, oder, oder …
Bis vorgestern waren wir vierzehn Beamte auf dem Kommissariat gewesen, plus Irmtraud Wegner. Wenn unser Täter in der bisherigen Frequenz weitermachte – zwei Tote am Tag –, würde es im Besprechungsraum bald ziemlich einsam werden.
Und ziemlich voll auf der Tafel.
«Wer?» Jörg Albrecht deutete auf das Wort ganz oben links. Direkt darunter hatte er zwei Begriffe vermerkt:
Maskenfrau
Alter Mann
«Bezüglich des Täters ist es gegenwärtig schwierig, klare Aussagen zu treffen», erklärte er. «Nach Lage der Dinge müssen wir davon ausgehen, dass die beiden Mordfälle zusammenhängen. Doch ergibt sich daraus zwingend, dass beide Taten von derselben Person begangen wurden?»
«Serienmörder arbeiten meistens allein», meldete sich Lehmann.
«Richtig.» Der Hauptkommissar nickte. «Doch wenn wir als Hypothese davon ausgehen, dass die Morde mit einer unserer zurückliegenden Ermittlungen zusammenhängen, dürfen wir die organisierte Kriminalität nicht außer Acht lassen.»
Ich nickte. «Also möglicherweise mehrere Beteiligte.»
«Was ich persönlich für eher unwahrscheinlich halte», fuhr Albrecht fort. «Doch selbstredend können wir eine Ermittlung unmöglich auf der Basis von Wahrscheinlichkeiten führen.»
Seltsam, dachte ich. Der letzte Satz klang irgendwie wie auswendig gelernt.
«Bisher fehlt uns streng genommen sogar ein konkreter Beweis, dass überhaupt ein Zusammenhang mit unserer Arbeit besteht», erklärte er.
«Aber Ole und Kerstin waren Beamte auf diesem Revier.» Das war Max Faber, ganz hinten am Tisch. «Was sollte es sonst sein?»
«Sie waren Polizisten», bestätigte der Chef. «Und sie gehörten zu einer Ermittlungsgruppe, die im Blickpunkt der Öffentlichkeit steht. Wenn wir eines mit Sicherheit sagen können, dann ist es das: Der Täter gibt sich keinerlei Mühe, seine Taten zu verschleiern. Im Gegenteil: Er sucht die Öffentlichkeit. Und die kann er auf diese Weise erreichen. Spektakuläre Morde an Polizisten sind ein sicherer Weg in die Medien. Aufmerksamkeit, das ist im Augenblick sein Ziel.»
«Und dass die Leute durchdrehen», ergänzte Faber.
«Exakt. Eine gesteigerte Form von Aufmerksamkeit. Darüber hinaus können wir angesichts seines technischen und medizinischen Wissens davon ausgehen, dass unser Täter über eine bemerkenswerte Intelligenz, einen bemerkenswerten Bildungsgrad verfügt. Sowohl die Tatsache, dass Kommissar Hartung Skrotum
und
Penis mit klinischer Präzision entfernt wurden, als auch die ungewöhnliche Methode, mit der Kommissarin Ebert getötet wurde, sprechen für eine sorgfältige, ja, ich möchte sagen: wissenschaftliche Arbeitsweise. – Widerspruch hierzu?»
Kopfschütteln ringsum.
Albrecht nickte und hob den Stift. «Und, schließlich, falls wir der Ein-Täter-Hypothese folgen, versteht er sich außerdem auf Verkleidungen.»
sucht die Öffentlichkeit
intelligent
wandlungsfähig (?)
Drei Notizen neben der Maskenfrau und dem alten Mann.
«Das sind die Dinge, die wir mit mehr oder weniger großer Sicherheit über den Täter wissen. Alles andere fällt in den Bereich der Spekulation. Oder hat noch
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