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Ich bin der Herr deiner Angst

Ich bin der Herr deiner Angst

Titel: Ich bin der Herr deiner Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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Hölle erwartete er jetzt von mir?
    Sollte ich das Feld freiwillig räumen?
    Ich streckte die Hand nach meiner Tasche aus und sah ihn fragend an.
    Langsam schüttelte er den Kopf. Für die Journalistin – und Paul – musste es aussehen, als höre er besonders konzentriert zu.
    Ratlos legte ich die Hände auf den Tisch. Meine Bestellung kam. Ich bedankte mich mit einem Nicken und führte das kühle Glas an die Lippen.
    Zwinker-zwinker.
    Er hatte Rotwein bestellt, und selbstverständlich hatte er sein Getränk vor mir bekommen. Merz war ein Universalmodell, funktionierte bei Kellnerinnen genauso gut wie bei Polizistinnen.
    Versonnen fuhren seine Finger die Rundung des Glases nach. Genießerisch prüfte er das Bouquet, bevor er, ohne den Blick von mir abzuwenden, mit den Lippen, der Zunge …
    Nur zu gut konnte ich mich an das Gefühl dieser Lippen auf meiner nackten Haut erinnern, an die feinen, aber kräftigen Hände, die meinen Körper erkundet hatten. Ich dachte daran, wie ich mich gewehrt hatte – innerlich. Joachim Merz war niemand, der es nötig hatte, sich irgendwas mit Gewalt zu nehmen. Und doch war da diese Schwelle gewesen. Das kannst du nicht machen! Das war etwas, was Dennis machte. Dennis mit seinem Objekt in Bergedorf. Dennis mit seinen dummen Sprüchen und seiner Unfähigkeit, für die Menschen da zu sein, die ihn brauchten. Ob Joachim Merz dazu in der Lage war?
    Seltsamerweise spielte das keine Rolle.
    Er hatte andere Qualitäten.
    «Joachim?»
Margit Stahmke hatte eine Spur lauter gesprochen als bisher. Der Name kam bei mir an.
    Ich spürte, dass sie suchend in meine Richtung sah, doch ich hatte schnell genug geschaltet und betrachtete angestrengt das ölige Etwas auf meinem Teller.
    Ich glaubte zu hören, wie Merz ihr antwortete. Seine Stimme war geschult durch die Arbeit im Gerichtssaal, und dieses ganz besondere, dunkle Timbre …
    Minutenlang beschäftigte ich mich mit meinen Tapas. Erst dann wagte ich wieder aufzublicken.
    Er sah mich immer noch an. Oder schon wieder. Machte das einen Unterschied?
    Was zum Teufel willst du von mir?
    Bei manchen Fragen reicht ein Blick als Antwort vollständig aus.
    Seine dunklen Augen schafften den Blick durch meine Kleidung mühelos.
    Es ist ein unbeschreibliches Gefühl, wenn man sich vorkommt, als säße man plötzlich splitternackt in einer schicken Tapas-Bar voller Menschen.
    Und doch, in diesem Moment, mit seinen Augen auf mir …
    Verdammt, Friedrichs, du bist in einer
Ermittlung
!
    Doch die Stimme kam von weit, weit weg.
    Das Unangenehmste war, dass sie sich anhörte wie Jörg Albrechts Stimme.
    ***
    Am Ende behielt Albrecht recht mit seiner Schätzung der Fahrtzeit, aller Knüppel zum Trotz, die ihm zwischen die Beine geworfen worden waren. Die Realität hatte über die Navigationssoftware gesiegt: eine Einbahnstraße, wo keine hingehörte, und auf den letzten Metern eine Baustelle, die ihn zu einer Ehrenrunde gezwungen hatte, bevor er in die Humboldtstraße einbiegen konnte.
    Das Gebäude, in dem das Institut für Rechtspsychologie der Technischen Universität Braunschweig untergebracht war, war ein Bau aus dem neunzehnten Jahrhundert nahe der Oker. Eine Stichstraße führte zu einem kleinen Parkplatz, der um diese Uhrzeit nahezu leer war.
    Albrecht stieg aus. Die Luft war klar, aber einige Grade kälter als in Hamburg. Er nahm Anzugjacke und Mantel vom Bügel und sah sich um.
    Ein winziger, rötlich glühender Punkt im Schatten des Gebäudes, gleich darauf eine undeutliche Qualmwolke.
    «Professor Möllhaus?»
    Der Leuchtpunkt verschwand. Die Zigarette wurde eilig ausgetreten.
    «Äh, nein.» Ein junger Mann trat in den Lichtkegel der Laternen, die den Parkplatz beleuchteten. Im ersten Moment erinnerte er Albrecht an Hauptmeister Lehmann, doch der Junge war noch wesentlich schlaksiger und schien nicht zu wissen, was er mit seinen Armen und Beinen anfangen sollte. Eher Winterfeldt-Format, dachte Albrecht. In jeder Beziehung.
    Wie geschaffen für sein Berufsfeld.
    «Der Professor ist oben», erklärte der junge Mann. Ein Blick in den wolkenverhangenen Himmel. «Aber ich glaube nicht, dass er jetzt noch Zeit …»
    «Er erwartet mich. Sind Sie einer der Doktoranden?»
    «Jonas Wolczyk.»
    War das eine Antwort?
    Der junge Mann streckte Albrecht die Hand entgegen, zog sie eine Sekunde lang zurück, betrachtete sie prüfend, streckte sie wieder vor. «Ich forsche über Verbrechertypen.»
    «Ich auch», brummte Albrecht und ließ die Hand schneller

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