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Ich bin der Herr deiner Angst

Ich bin der Herr deiner Angst

Titel: Ich bin der Herr deiner Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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wieder los, als er zugegriffen hatte. «Da drüben komm ich rein?»
    «Sie müssen einfach …»
    «Danke für die Hilfe. Ich finde den Weg.»
    Ein Treppenaufgang. Im Erdgeschoss hatte kein Licht gebrannt, in der Etage darüber schon. Eine Zwischentür stand offen, dahinter ein langer Flur, auf den aus einer Türöffnung Licht fiel.
    «Professor Möllhaus?»
    «Ich bin hier drüben …» Ein melodischer Singsang.
    Der Hauptkommissar zog seinen Mantel aus, legte ihn sich über den Arm und trat durch die Tür.
    Professor Hartmut Möllhaus mochte Anfang sechzig sein, die Stirn kahl bis zu der Stelle, an der sich mal sein Scheitel befunden haben musste. Dafür war das schüttere Nackenhaar zu einem Pferdeschwanz gebunden, der bis auf die Schulterblätter fiel.
    Möllhaus saß am Boden, die Beine im Yogisitz übereinandergeschlagen, und betrachtete einen Abschnitt der Wand zwischen den Fenstern. Albrecht legte den Kopf auf die Seite. Eine Wand. Raufaserverputzt. Besondere Kennzeichen: keine.
    Der Hauptkommissar räusperte sich. «Professor?»
    Ein Seufzen kam über Möllhaus’ Lippen. Er legte kurz die Hände ineinander, blinzelte und kam in einer federnden Bewegung hoch.
    «Hauptkommissar Albrecht!» Der Händedruck war fester als erwartet. «Ich freue mich, dass Sie so kurzfristig kommen konnten.»
    «Ich bin froh, dass Sie um diese Uhrzeit noch Zeit für mich haben.»
    «Eine spezielle Technik.» Möllhaus wies auf den leeren Fleck auf dem Teppich, wo er eben noch gesessen hatte. «Zehn Minuten sind so gut wie zwei Stunden Schlaf. Ich schlafe selten länger als zwei oder drei Stunden die Nacht.»
    Dito, dachte Albrecht, nickte aber nur höflich. Auf eine einladende Handbewegung hin ließ er sich in einem Sessel nieder. Den Mantel hatte er über die Rückenlehne drapiert. Eine Garderobe war nirgendwo zu sehen.
    «Ich bin trotzdem dankbar, dass Sie kommen konnten», sagte Möllhaus, der auf einem Stuhl hinter seinem Schreibtisch Platz genommen hatte. «Jeder von uns hat seine eigenen Mechanismen, nach denen er Informationen wahrnimmt und verarbeitet. Ich persönlich bin der visuelle Typ. Ich muss die Dinge schwarz auf weiß vor mir sehen.» Er hob einen Kugelschreiber, lächelte. «Oder blau auf weiß in diesem Fall. – Sie wissen, dass ich bereits mit etlichen Ihrer Kollegen zusammengearbeitet habe?»
    Albrecht nickte. «Isolde Lorentz hat Sie mir empfohlen.»
    Der Professor betrachtete ihn. Albrecht erwiderte den Blick, doch es war nicht einfach, den Mann einzuschätzen.
    Wer es zu seinem Beruf gemacht hatte, das Verhalten anderer Leute zu beurteilen, wusste besser als jeder andere, wie er sich selbst keine Blöße gab. Der Hauptkommissar fragte sich, ob die Polizeipräsidentin dem Mann von ihm erzählt hatte. Ob er ahnte, dass Jörg Albrecht nicht freiwillig hier war.
    «Ein Blick von außen kann manchmal sinnvoll sein», erklärte Möllhaus. «Kein Betrachter kann einen unvoreingenommenen Blick auf ein Bild werfen, wenn er selbst ein Teil des Dargestellten ist. Manchmal, wenn sich Beamte besonders stark in eine Ermittlung involvieren, kann es aber genau dazu kommen.»
    Albrecht nickte stumm. Er hätte sich denken können, dass diese einprägsame Metapher nicht auf Isolde Lorentz’ Mist gewachsen war.
    Möllhaus’ Mundwinkel zuckte. Der Mann beobachtete
sehr
genau.
    «Kann ich Ihnen einen Tee anbieten?», erkundigte er sich.
    Ich trau’s Ihnen zu, dachte Albrecht.
    Doch er spürte, dass er sich ein wenig entspannte. Er hatte Schlimmeres erwartet. Ein endgültiges Urteil über Möllhaus wollte er sich besser noch vorbehalten, doch für einen Angehörigen seines Berufsstandes schien der Psychologe ein korrekter Mann zu sein. Der Spiralblock, den er aus einer Schublade zog, erinnerte an Friedrichs.
    Hannah Friedrichs, die der Hauptkommissar auf die einzige echte Fährte angesetzt hatte, die er erkennen konnte. Er konnte nur hoffen, dass die Kommissarin mit Erkenntnissen zurückkam, die sie aus der Sackgasse herausführen würden, in die der Fall zu laufen drohte.
    Dass diese Erkenntnisse rechtzeitig kamen.
    Nicht wir sind es, die den Rhythmus dieser Ermittlungen bestimmen, dachte er. Der Täter zwingt ihn uns auf.
    Professor Möllhaus nickte ihm zu, und Jörg Albrecht begann die Umrisse des Falls zu schildern.
    ***
    Die Tapas-Bar begann sich zu leeren.
    Nicht anders als in sämtlichen anderen Vierteln der Stadt, in denen abends was los ist, hat auch in St. Georg jedes Lokal, jeder Club seine persönliche

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