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Ich bin der Herr deiner Angst

Ich bin der Herr deiner Angst

Titel: Ich bin der Herr deiner Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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beobachtete ich, wie sich ihr Gesichtsausdruck veränderte, während sie das Display betrachtete. Sie zögerte, sah auf die Uhr und ließ das Mobiltelefon sinken.
    Paul stellte offenbar eine Frage. Die Journalistin machte eine rasche Handbewegung, redete aufgeregt, war schon aufgestanden. Die Kellnerin kam – doch im nächsten Moment stürmte die Zecke an ihr vorbei auf die Tür zu.
    Und Joachim Merz packte in aller Seelenruhe sein Portemonnaie aus.
    Ich verfluchte ihn, während ich rückwärts stolperte.
    Ein schrilles Hupen.
    Ein ungeschickter Schritt, ich fand Deckung hinter einem parkenden Mercedes Coupé, spürte den Luftzug, als ein Wagen hinter mir vorbeirauschte und mir um ein Haar den Hintern abrasierte.
    Mein Herz raste. Ein Geräusch. Die Glastür der Bar wurde geöffnet.
    «… klingt anders diesmal, kürzer.» Das war Stahmke, keine zwei Meter von mir auf der anderen Seite des Mercedes. «Irgendjemand muss ihn gestört haben. Die Alsterquelle bei Henstedt! Wie lange brauchen wir dahin?»
    «Die Alster hat eine Quelle?» Paul.
    «Henstedt, verdammt! Henstedt-Ulzburg! Wie lange?» Die Stimme der Journalistin überschlug sich, doch im selben Moment entfernten sich die beiden eilig.
    Nach links. Mein Wagen stand in der entgegengesetzten Richtung.
    ***
    Er war in der Höhle des Löwen.
    Ein Löwe? Ein ganzes Rudel!
    Jörg Albrecht bemühte sich um einen nichtssagenden Gesichtsausdruck.
    Professor Hartmut Möllhaus hatte sich in Ruhe angehört, was der Hauptkommissar ihm zu erzählen hatte. Er hatte weder gedrängelt noch unnötige Zwischenfragen gestellt.
    Er hatte Albrecht die Chance gegeben, sein eigenes Bild des Falls zu zeichnen, seine eigenen Gedanken zu formulieren, die Verbindungen zu skizzieren, die sich aus der Anordnung der Versatzstücke im Raum der Ermittlung bereits andeuteten. Das war etwas, das der Hauptkommissar aus seinen Erlebnissen mit den gerichtlichen Gutachtern nicht kannte.
    Nach wie vor war es kein angenehmes Erlebnis, einen Externen an laufenden Ermittlungen teilhaben zu lassen, doch er war soeben zu der Überzeugung gekommen, dass er mit Möllhaus würde leben können. Da hatte es vorsichtig an der Tür geklopft, und Jonas Wolczyk, der Hauptmeister-Winterfeldt-Verschnitt, hatte den Kopf in den Raum gesteckt. Einige gemurmelte Worte, und der Professor hatte ihm die Aufzeichnungen ausgehändigt, die er soeben von Jörg Albrechts Bericht angefertigt hatte.
    Und nun befand sich der Hauptkommissar in einem Raum, der irritierend an das Besprechungszimmer des Reviers erinnerte: U-förmig angeordnete Tische, Möllhaus an der offenen Seite vor einem Whiteboard, auf den Stühlen ein halbes Dutzend angehender Psychologen.
    Und vor jedem der hoffnungsvollen jungen Leute ein frisch kopiertes Handout mit Jörg Albrechts Aussage.
    Eine junge Frau war gerade noch in den Raum gehuscht, bevor der Professor sich mit einem Hüsteln zu Wort meldete und das
Kolloquium
begrüßte.
    Ein Praxisversuch. Doch, das sei eine gängige Arbeitsmethode, hatte Möllhaus dem konsternierten Ermittler versichert. Natürlich, Isolde Lorentz wisse davon. Er, der Professor, biete seine Dienstleistung in diesem Fall ohne Honorar an, dafür bekämen seine Schützlinge die Gelegenheit, sich unter Praxisbedingungen mit einem realen Fall auseinanderzusetzen.
    Ein psychologisches Versuchskaninchen. Jörg Albrechts Augen fixierten einen Punkt an der Wand, schräg über dem Kopf der zuletzt hinzugekommenen jungen Dame, die mit bemerkenswerter Ruhe ihre Arbeitsunterlagen auspackte. Dunkler Pagenkopf, bleistiftdünne Augenbrauen. Psychologin in spe, wie der ganze Stall.
    Manche Dinge waren Verschwendung.
    «Hauptkommissar Albrecht.» Möllhaus räusperte sich. «Bevor wir beginnen, möchte ich noch einmal betonen, dass jeder hier im Raum dieselbe Erklärung abgegeben hat wie ich selbst. Nichts von dem, was wir hier erörtern, keinerlei Details Ihres Falles werden in irgendeiner Weise an Dritte weitergegeben werden.»
    «Lediglich in anonymisierter Form», ergänzte Wolczyk.
    «Lediglich in anonymisierter Form», bestätigte der Professor.
    Albrecht unterdrückte jegliche Lebensäußerung. Wie schwierig konnte das werden, aus einem anonymisierten, in einem Fetischclub kastrierten Kripobeamten und einer anonymisierten, an der Strahlenkrankheit gestorbenen Kripobeamtin auf den konkreten Fall zu schließen, über den seit bald achtundvierzig Stunden sämtliche Sender berichteten?
    «Damit Sie wissen, mit wem Sie es zu tun haben,

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