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Ich bin der Herr deiner Angst

Ich bin der Herr deiner Angst

Titel: Ich bin der Herr deiner Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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Sieht nicht so aus, als ob du die Sache unter Kontrolle hättest, oder?»
    Ich lag flach auf dem Rücken. Merz hatte sich auf die Knie aufgerichtet und blickte auf mich herab, kaum mehr als ein dunkler Umriss vor der runtergedimmten Deckenbeleuchtung.
    Kontrolle.
    Das war es tatsächlich, was der Job auf dem Revier von uns verlangte. Mehr als alles andere, von morgens bis abends. Und manchmal mehr, als ich ertragen konnte.
    Es war keine Frage, wer im Moment die Kontrolle hatte.
    «Ich komme zurecht», murmelte ich.
    «Tatsächlich?»
    Er veränderte seine Haltung. Nur eine winzige Bewegung, doch irgendwie …
Time out.
Als hätte er plötzlich das Licht eingeschaltet.
    Es war wie ein … Schock wäre zu viel gesagt. Ein Eiswürfel, den er auf meinem Bauch platziert hatte. Allerdings nicht in erotischer Absicht.
    Ganz im Gegenteil.
    Seine Stimme war verändert. «Möglicherweise habe ich tatsächlich das eine oder andere gehört», sagte er zögernd. «Und was ich gehört habe, gefällt mir nicht.»
    «Nämlich?»
    «Du bist zu klug, um zu glauben, dass ich dir vertrauliche Informationen meiner Mandanten weitergeben würde.»
    Seine Mandanten? Margit Stahmke?
    Doch dieser Mann hatte einen ganzen Stall voller Kunden, die unliebsame Prozesse am Hals hatten. Und der größte Teil bewegte sich in denselben gesellschaftlichen Kreisen wie der Anwalt selbst.
    Doch war das
Fleurs du Mal
nicht exakt auf diese Sorte Kundschaft abonniert? War nicht genau das der Ausgangspunkt der ursprünglichen Ermittlung gewesen: das Gerede um angebliche Videoaufnahmen?
    «Und warum erzählst du mir das?»
    Wieder eine fast unmerkliche Bewegung. «Ich weiß natürlich nicht, wie du mich einschätzt, aber für gewöhnlich liegt mir was an den Leuten, mit denen ich ins Bett gehe.» Die berühmte Hamburger Arroganz. Joachim Merz hatte sie perfektioniert.
    In diesem Moment brachte sie mich auf die Palme.
    «Da läuft jemand rum und bringt meine Kollegen um!» Ich richtete mich auf einen Arm auf. «Ich bin schon groß! Ich bin seit sechzehn Jahren Beamtin, und ich hab ein paar Sachen mitgekriegt: Glaub mir, die willst du dir nicht vorstellen. Danke für den Tipp, aber mir ist schon klar, wann ich mich vorsehen muss!»
    Doch das war ein Strohfeuer. Die plötzliche Wut war so schnell wieder verschwunden, wie sie gekommen war.
    Professionelle Umsicht lässt sich schwer vermitteln, wenn man gerade splitterfasernackt vor einem Mann liegt, den man vor wenigen Stunden mehr oder minder offen verdächtigt hat, der Täter zu sein.
    Er zuckte nicht mit der Wimper, das musste man ihm lassen.
    Andererseits war kaum zu erkennen, ob
irgendetwas
zuckte. Der Schattenriss seines Körpers schnitt mir das Licht ab.
    Dieser Abend war unvereinbar mit dem Bild von Hannah Friedrichs, wie es in meinem eigenen Kopf existierte.
    Joachim Merz’ Umriss ragte über mir auf. Kontrolle.
    Seine Augen lasen in mir. Ich konnte es körperlich spüren. Ich war ein offenes Buch für ihn. Er konnte sich nehmen, was er wollte.
    Und ich wünschte mir, er würde nicht länger zögern. Keine Sekunde mehr. Ich ertrug es nicht.
    «Bitte», murmelte ich.
    Bitte, dachte ich. Ich will nicht mehr denken. Nicht mehr reden. Nicht über den Fall, überhaupt nicht mehr.
    Doch konnte er das begreifen?
    Wieder eine kaum wahrnehmbare Veränderung in seiner Haltung.
    Time in?
    Er beugte sich über mich, ich beobachtete es aus halb geschlossenen Lidern.
    Wieder legten sich seine Finger um meine Handgelenke, pressten sie neben meinem Körper zu Boden. Seine Lippen senkten sich auf meinen Bauch, glitten tiefer.
    Kontrolle.
    Ich spürte, wie mein Körper sich entspannte. Ich schloss die Augen vollständig, war nur noch Haut, flehende, erhitzte Haut – meine Brüste, meine Schenkel, meine Arme, die von seiner überlegenen Kraft festgehalten wurden.
    Konnten diese Hände den Tod bringen?
    Sie konnten.
    Doch vielleicht war es eine andere Art von Tod.
    War das Bewusstsein der Gefahr nicht ein Teil des Kitzels, wenn ich mich in seine Hand gab?
    Möglicherweise ist Ole Hartung ja was ganz Ähnliches durch den Kopf gegangen, als er im
Fleurs du Mal
auf diesen Stuhl stieg.
    Doch dieser letzte Gedanke …
    Das war viel später.

[zur Inhaltsübersicht]
Zwischenspiel III
    Eine fahle Dämmerung erklimmt langsam die Deichlinie.
    Die Schatten sind noch kaum wahrnehmbar, doch sie fallen anders zu dieser Zeit, die nicht mehr vollständig Nacht und gewiss noch nicht Morgen ist.
    Der Feldstecher wird neu justiert,

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