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Ich bin der Herr deiner Angst

Ich bin der Herr deiner Angst

Titel: Ich bin der Herr deiner Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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geführt. Identitätsprüfung. Genau wie auch Albrecht selbst verfahren wäre.
    Das Ergebnis hatte ihn offenbar zufriedengestellt.
    Und nun saßen sie in einem niedersächsischen Polizeifahrzeug.
    Jonas Wolczyk war leichenblass. Er hatte seit der Szene in Hartmut Möllhaus’ Wohnung kein Wort gesagt. Schockstarre, dachte Albrecht.
    Er spürte es selbst. Die Regenfront war heran. Hagel mischte sich unter die Tropfen, die Wischblätter wurden kaum mit der Sturzflut fertig. Eine eisige Faust schien die Brust des Hauptkommissars zusammenzupressen.
    Der Wettersturz. Die Prellung, die er sich beim Aufbrechen der Wohnungstür zugezogen hatte.
    Und der Schock der Erkenntnis.
    Möllhaus war tot.
    Er wusste es, tief in seinem Innern, selbst wenn Rabeck sich aus irgendeinem Grunde nicht eindeutig geäußert hatte.
    Jörg Albrecht würde nicht nachfragen.
    Er würde sich dem Tatort nähern, wie er sich in mehr als zwei Jahrzehnten jedem Tatort genähert hatte. Je weniger er wusste, was am Ziel ihrer Fahrt auf sie wartete, desto unvoreingenommener konnte er den Ort als
Ort
betrachten.
    Die Dinge, so wie sie waren.
    Ein zufälliger Punkt im Raum, den nur ein einziges Detail von anderen zufälligen Punkten im Raum unterschied.
    An diesem Punkt war das Leben eines Menschen gewaltsam beendet worden.
    An diesem Punkt hatte Jörg Albrecht das Ufer berührt.
    «Wo fahren Sie überhaupt lang?», raunzte Rabeck plötzlich den jüngeren Beamten an, der am Steuer saß. Cornelius, erinnerte sich Jörg Albrecht. Kriminalkommissar Yawuz Cornelius.
    Cornelius hatte die Nase fast an der Windschutzscheibe. Albrecht bezweifelte, dass er selbst auf diese Weise viel erkennen konnte. Was allerdings keine Auswirkungen auf die rasante Geschwindigkeit hatte.
    Der jüngere Beamte hob die Schultern. «Die Strecke ist schöner und …»
    «Rechts ab, auf der Stelle! So, und jetzt wieder links! Was …»
    «Außerdem gibt’s hier eine Sperrung», erklärte Cornelius, während er am Ende des Staus den Motor abstellte.
    ***
    «Könnten Sie nicht Verstärkung für Ihre Mannschaft gebrauchen?», erkundigte sich Rabeck mit gedämpfter Stimme. «Der Kommissar spricht seit Jahren davon, sich zu verändern.» Er balancierte einen Regenschirm über dem Kopf, doch Albrecht hielt sich konsequent außerhalb von dessen Reichweite.
    Der Schauplatz. Die Augen eines Fremden.
    Alter Baumbestand. Ein von einer langgezogenen Mauer umgebener Park. Stelen und Monumente ragten aus dem kurz gehaltenen Gras wie die warnenden obersten zehn Prozent eines Eisbergs.
    Doch die Warnung kam zu spät.
    Es war ein Friedhof, und Jörg Albrecht wusste, dass auch das ein Zeichen war:
    Ihr steht genau dort, wo ihr vor mehr als vierundzwanzig Stunden gestanden habt.
    Ihr seid keinen Schritt weitergekommen.
    Aber
ich
bin weiter.
    Ein Menschenleben weiter.
    Und es wird nicht das letzte sein.
    «Ursprünglich waren es zwei unterschiedliche Friedhöfe», brummte Rabeck jetzt. Offenbar hatte er begriffen, dass Albrecht kein Interesse an seinem Assistenten hatte. «St. Magni und der Domfriedhof. Das heißt: Ganz am Anfang befanden sich beide in der Innenstadt, aber da wurde der Platz zu knapp. Danach, für hundertfünfzig Jahre …» Eine knappe Handbewegung. «Hier. – Da drüben liegt Lessing.»
    Albrecht drehte nur knapp den Kopf.
    «Auf St. Magni gibt es heute überhaupt keine Bestattungen mehr», erklärte der niedersächsische Beamte.
    Eine Aussage, die dem unmittelbaren Augenschein widersprach.
    Den Dingen, so wie sie waren.
    Zu Füßen eines wuchtigen klassizistischen Monuments türmte sich ein Erdhaufen. Als die Beamten ihn umrundeten, kam eine Grube zum Vorschein, in der zwei durchnässte uniformierte Kollegen mit Schaufeln dabei waren, weiteres Erdreich auszuheben.
    Albrecht blieb stehen. «Und was soll das?», fragte er irritiert.
    Rabeck klappte den Schirm zusammen. Direkt über ihnen war das Blätterdach so dicht, dass kaum ein Tröpfeln durchkam. Stumm wies der ältere Beamte auf den Grabstein.
    Graffiti. Die ursprüngliche Grabinschrift war nicht mehr zu entziffern, doch darüber in giftgrüner Sprühfarbe zwei Zeilen in Großbuchstaben.
    PROFESSOR DOKTOR
    HARTMUT MÖLLHAUS
    «Wir sehen jeden Morgen nach dem Rechten.»
    Albrecht fuhr herum. Eine Männergestalt, dunkel gekleidet. Sie stand zwischen einer Reihe von Grabstelen, reglos wie die steinernen Monumente selbst.
    «Wir hatten hin und wieder Fälle von Vandalismus, auch in den letzten Jahren», murmelte der Mann, und

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