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Ich bin der Herr deiner Angst

Ich bin der Herr deiner Angst

Titel: Ich bin der Herr deiner Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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die sie einander entgegenstreckten wie entsicherte Waffen.
    ***
    Kaffee.
    Manche Leute haben eine innere Uhr. Sie werden jeden Tag zur gleichen Zeit wach, im Urlaub wie unter der Woche, Januar oder Juli, ganz egal.
    Wenn man unter Jörg Albrecht arbeitete, mit unvorhersehbaren Tages- und Nachtschichten, kam man gar nicht dazu, sich so einen Rhythmus anzugewöhnen.
    Ich war eher der Weckertyp. Möglichst laut und möglichst schrill oder, seit ein paar Jahren, die Stereoanlage mit Timerfunktion.
    The Cures
Killing an Arab
war auch als Weckton einigermaßen effektiv.
    Eigentlich gab es nur eine Sache auf der Welt, die
noch
effektiver war.
    Kaffee.
    Ich zog die Nase kraus, schnupperte in die Luft, schlug halb blind die Decke zur Seite und ließ die Füße aus dem Bett gleiten auf der Suche nach meinen Hauslatschen.
    Flauschiger, weicher Teppich.
    Und keine Latschen.
    Im selben Moment war ich
richtig
wach.
    Das Appartement über den Dächern von Rotherbaum sah bei Tageslicht – oder andeutungsweise Tageslicht – noch eindrucksvoller aus als bei Nacht. Sehr hell, klare Linien, kein Nippes. An den Wänden Horst-Janssen-Zeichnungen, und ich hätte ohne Zögern schwören können, dass es keine Reproduktionen waren.
    Meine Jeans lag mitsamt dem Rest meiner Kleidung fein säuberlich zusammengelegt auf einem Hocker. Keine Erinnerung, dass
ich
das so drapiert hatte.
    Automatisch ging ich wie auf Zehenspitzen, obwohl ich in Wahrheit jeden Schritt auf dem weichen Teppich genoss.
    «Joachim?» Ein seltsames Gefühl, ihn mit dem Vornamen anzusprechen. Irgendwie dachte ich als
Merz
an ihn oder im Höchstfall mit Vor- und Zunamen.
    Ich steuerte die Küche an – die Richtung, aus der der Kaffeeduft und das Brummen des Vollautomaten kamen.
    «Joach…»
    Die Küche war leer. Den Kühlschrank sah ich nur aus dem Augenwinkel. Fünfziger-Jahre-Modell; Kerstin Ebert hätte für dieses Möbel getötet.
    Wäre sie selbst noch am Leben gewesen.
    Der Kaffeeautomat war an einen Timer angeschlossen.
    «Joachim?»
    Ich ging zurück ins Wohnzimmer, kontrollierte schließlich das Bad.
    Leer.
    Ein unangenehmes Gefühl begann sich in meinem Magen breitzumachen.
    Wie spät war es gewesen, als ich eingeschlafen war? Nicht mal so wahnsinnig spät. Die Nacht war heftig gewesen, wie ich mir das gewünscht hatte, aber die achtundvierzig Stunden davor ganz genauso. Ich hatte geschlafen wie ein Stein, hatte nichts davon mitgekriegt, dass – und wann – er aufgestanden war.
    War er zur Arbeit gefahren, ohne mich zu wecken? Ein Blick ins Schlafzimmer. Nein, kein Zettel, keine Nachricht.
    Zögernd trat ich an die Panoramascheibe. Ich stand bereits direkt davor, als mir klar wurde, dass ich immer noch splitternackt war.
    Rasch stolperte ich zurück, was im Grunde Unsinn war. Wer mich quer über die Außenalster beobachten wollte, musste einen Hochleistungsfeldstecher haben.
    Doch irgendwie hatte ich doch einen Rest …
    Schamgefühl?
    Dann sollte ich mir den vielleicht besser für Dennis aufheben. Doch mit dem war das schließlich ein Geben und Nehmen.
    Wahlweise für meine Bullenehre?
    Gerade wollte ich mich umdrehen, zurück ins Schlafzimmer, mich anziehen … vielleicht einen Kaffee noch …
    Da ertönte ein unterdrücktes Klicken in meinem Rücken.
    Ich fuhr herum. Es gibt eine bestimmte Sorte Klicklaute, bei denen man als Kripobeamtin automatisch in einen anderen Modus schaltet.
    Der hier war exakt von dieser Sorte.
    Doch dann sah ich ihn.
    Er stand in der Wohnungstür, in Joggingkluft.
    Er hatte etwas in der Hand.
    Eine Brötchentüte.
    Und eine einzelne, langstielige Rose.
    ***
    «Wie weit sind Sie?» Rabeck brüllte ins Funkgerät.
    Jörg Albrecht saß neben dem jungen Wolczyk auf der Rückbank des Streifenwagens. Von der Antwort aus dem Apparat kam nur ein undeutliches Schnarren bei ihm an.
    Mit einem Knurren stopfte sein niedersächsischer Kollege den Empfänger zurück in die Halterung.
    «Sie sind noch nicht durch», brummte er.
    Durch durch was?
    Albrecht betrachtete Rabecks ungesund geröteten Nacken. Sie waren unterwegs zum Tatort. Zumindest ging er davon aus, dass sie dorthin unterwegs waren. Das Gebrummel des älteren Beamten war weniger eine Einladung gewesen mitzukommen.
    Eher eine Anweisung.
    Mit zwei Sätzen hatte Albrecht seinem in Braunschweig zuständigen Kollegen erklärt, was sie in der Wohnung zu suchen hatten und warum sie gezwungen gewesen waren, die Tür aufzubrechen.
    Noch im Treppenhaus hatte Rabeck ein kurzes Telefonat

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