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Ich bin der Herr deiner Angst

Ich bin der Herr deiner Angst

Titel: Ich bin der Herr deiner Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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Löffel Erdbeermarmelade. «Du sollst auf dich aufpassen, und ich würde dich gerne wiedersehen. Und damit meine ich: nicht durch Zufall, wenn du mir mal wieder in die Arme stolperst. Oder gerade mal an einem meiner Mandanten dransitzt.»
    Rasch führte ich mein eigenes Brötchen zum Mund, kaute, zwei Sekunden länger als notwendig. Zeit zum Überlegen. Die flotte Antwort, die mir auf der Zunge lag, kollidierte mit seinem ernsten Gesichtsausdruck und diesen dunkelbraunen Augen, die die abgefeimteste Staatsanwältin nervös machen konnten. Doch in diesem Moment war dort nichts Spielerisches zu erkennen.
    «Dir ist klar, dass ich verheiratet bin?», antwortete ich schließlich, und, als ich sah, wie er den Mund aufmachte: «Und dass ich nicht vorhabe, das in absehbarer Zeit zu ändern.»
    «Dann nennt man das wohl eine Affäre?» Er hob eine Augenbraue. Er sah müde aus. Ich fragte mich, ob er überhaupt geschlafen hatte. Aber vielleicht war er auch noch schlapp von seinem Lauf mit Zwischenstopps beim Bäcker und im Blumengeschäft. «Zwischen uns? Früher hätte man gesagt: eheliche Untreue.»
    «Früher war das auch ein Straftatbestand.» Ich nickte. «Oder?»
    «Sehr viel früher.» Er betrachtete sein Brötchen. Wenn er nicht allmählich einen Bissen nahm, würde die Marmelade auf den Teller kleckern. «Doch nicht alles, was nicht verboten ist, sollte man deswegen zwangsläufig praktizieren.»
    Mein zweiter Bissen blieb mir im Hals stecken. Ich tastete nach dem Kaffee, spülte eilig nach.
    Womit auch immer ich gerechnet hatte heute Morgen – mit durchgeschnittener Kehle aufzuwachen, zum Beispiel. Aber
damit
nicht.
    «Man muss zu einem Menschen gehören», sagte er, diesmal, ohne mich anzusehen. «Sonst hat es keinen Sinn. Mir ist schon klar, was du von mir hältst, und ja … Es gibt schon eine ganze Reihe von Leuten, die diese Wohnung zu sehen bekommen haben …»
    Er hatte
Leute
gesagt, nicht
Frauen
, doch das bekam ich nur am Rande mit.
    «Bitte sag jetzt nicht, ich bin etwas Besonderes für dich.» Ich sah ihn an. «Das wäre einfach …»
    «Klischee?» Ganz kurz blitzte ein Funke Humor auf, doch er war auf der Stelle wieder verschwunden. «Und wir funktionieren natürlich nicht nach Klischee, nicht wahr? – Und du? Bin
ich
etwas Besonderes für
dich

    «Denkst du, ich mache so was ständig?» Der Spruch kam, ohne nachzudenken, und im nächsten Moment hätte ich mir auf die Zunge beißen können. Doch er sah mich nur an, akzeptierte den Schlag.
    «Man muss zu einem Menschen gehören», sagte ich ruhiger. «Und ich gehöre zu Dennis. Wir sind verheiratet. Wir haben uns gemeinsam etwas aufgebaut. Wir … Wir haben beide einen Haufen Arbeit und nicht halb so viel Zeit füreinander, wie wir uns wünschen würden, aber wir … Es hat was mit Vertrauen zu tun. Zueinanderzugehören.»
    «Du betrügst ihn.»
    Ich nickte. «Und er betrügt mich, oder …» Ich schüttelte den Kopf. «So einfach ist es nicht mal. Wenn er weiß, dass ich weiß … Oder sich das denken kann …»
    «Verstehe», murmelte Joachim Merz. «Dann revanchierst du dich eben.»
    Ich konnte es nicht genau sagen. Vielleicht war es der Klang seiner Stimme, vielleicht die Tatsache, dass er den Nagel auf den Kopf getroffen hatte.
    Plötzlich wurde ich wütend.
    «Weißt du was, Herr Anwalt?» Ich legte das angebissene Brötchen auf den Teller. «
Du
hast
mich
abgeschleppt. Schon vergessen? Das war nicht umgekehrt. Gut, du hast mir nicht das Messer auf die Brust gesetzt, aber leise und verschüchtert bist du auch nicht vorgegangen. Kannst du dir vorstellen, dass ich gestern nicht gerade in der Verfassung war …» Ich schüttelte den Kopf. Klare Entscheidungen zu treffen? Dann hatte ich im Polizeidienst nichts verloren.
    «Also wolltest du gar nicht mit mir ins Bett?»
    Ich starrte auf mein Brötchen. «Doch», murmelte ich. «Und es war schön. Wirklich schön. Aber vielleicht …»
    «Ja?»
    Ich blickte auf. Er sah nach wie vor auf seinen Teller.
    «Joachim … Ich kann dir wirklich nicht sagen, was ich mir gedacht habe. Du weißt doch, was im Moment bei mir los ist. Beruflich. Ich kam gestern Abend direkt vom Mann meiner Freundin … meiner Kollegin, die wir auf dem Friedhof gefunden haben. Ich bin da immer noch mittendrin. Ich weiß doch selbst nicht, was ich denken soll!»
    «Bitte …» Er fuhr sich über die Lippen und sah mich nun doch wieder an. «Bitte pass auf dich auf! Seid ihr denn wenigstens einen Schritt weiter, wer in

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