Ich Bin Ein Schwein
die der Schall längst geschluckt hat. Meine Hände legen sich auf die Tischplatte, fühlen ihr kaltes Metall. Ich wende mich um, sehe in blaue Augen und weiß, dass ich stärker bin als er. Er packt mein Handgelenk, schleift mich hinter sich her in die Küche. Vor dem Badezimmer hält er an, stemmt sich gegen mich, drückt mich an die Wand. Er legt seinen Unterarm unter meinen Hals, presst meinen Kopf nach hinten. Erst als sich unsere Blicke treffen, lockert er den Würgegriff, streift mein eng anliegendes Shirt über den Kopf, öffnet den BH. Dann löst er den Gürtel der Levis, knöpft sie auf und lässt sie mit der Unterhose auf den Boden fallen. Ich besehe seinen Schwanz, der sich mir steif entgegenstreckt und unterdrücke ein Lachen. Es ist einfach. Meine Hose und die Unterwäsche ziehe ich selbst aus. Er presst mich wiederholt gegen die Wand, als er im Stehen in mich eindringt. Draußen singt ein verirrter Vogel sein Lied. Immer die gleiche Tonfolge. Auf und ab und auf und ab. An Martins Atem erkenne ich die Steigerung seines Begehrens. Ich lasse ihn gewähren und ziehe erst kurz vor dem Höhepunkt seinen Schwanz aus meiner Möse. Martin wirkt viel kleiner, als ich das in Erinnerung habe, mit der Hose, die ihm um die Knöchel schlackert, den Turnschuhen und der ungeduldigen Miene.
Bevor er den Arm um meinen Hals legen kann, ziehe ich mich wieder an. Er versucht einen Satz, deutet auf seinen Kühlschrank, aber ich falle ihm ins Wort:
„Und nun zu deinem Teil der Abmachung“, sage ich und spüre, wie sich alles in mir aufrichtet. Sein Lächeln versiegt, die Lippen pressen sich aufeinander. Kurz darauf fällt die Wohnungstür lautstark ins Schloss. Martin brüllt mir noch zu: „Du wirst schon sehen, wohin das führt“, dann knallt die Haustür zu.
Ich fühle den Schmerz am rechten Handgelenk, sehe schon die roten Striemen vor Augen, kann keinen Gedanken fassen, renne nur ins Wohnzimmer und höre den Motor seines blauen Minis kurz aufheulen, dann tritt er aufs Pedal.
In der Nacht leuchten Martins Scheinwerfer wie Glühwürmchen, die Leuchtspuren auf der Netzhaut zurücklassen. Zwei Lichter steuern im Liebesflug auf ihn zu, blinken mehrfach auf, ehe sie im Aufprall zerbersten.
Ich öffne das Fenster, ein erster Sommerwind streichelt meine Haut. Der Mini liegt wie ein zusammengezurrtes Akkordeon auf der Straße. Ein paar Gaffer umringen ihn, im Erdgeschoss gegenüber wird ein Vorhang zur Seite geschoben. Die Zeit tropft langsam von der Uhr. Minuten dehnen den Raum bis zur Verzerrung. Fast ein Standbild. Menschen wie Wachsfiguren hingegossen, das unterdrückte Murmeln der Passanten, die das Geschehen wie eine willkommene Abwechslung kommentieren. Der am Unfall beteiligte Mercedesfahrer ist aus seinem Wagen geklettert, der nun die Straße blockiert. Niemand außer mir beachtet ihn. Er steht im Schein einer Straßenlaterne, die seinem Gesicht einen blauen Schimmer verleiht. Eine lange Kameraeinstellung, die alles an ihm erfasst, die zitternden Hände, die Augen, die jetzt fast aus seinem Gesicht hervortreten, und den Wunsch, bald aus diesem Phantasma eines eingebildeten Traumes treten zu können. Die Polizei trifft kurz vor dem Rettungswagen ein, ermahnt die ungebetenen Zuschauer weiterzugehen und sichert die Unfallstelle. Ich nehme die Schlüssel von Martins Wohnung und trete ins Freie. Aus der Ferne beobachte ich die Rettungssanitäter, die ihn aus seinem Wagen ziehen und mit Wiederbelebungsversuchen beginnen. Die Luft ist benzingetränkt. Ein Assistent schüttelt den Kopf. Die Sanitäter legen Martin auf eine Trage und decken ihn mit einem weißen Tuch zu. Als sich der Rettungswagen in Bewegung setzt, strahlt der Vollmond vom Himmel, aus einer Kneipe dringt kubanische Musik.
Erase and rewind
Ich folge Lauras Blick, der langsam meine Küche abtastet; das Kiefernholzbrett mit den blauen Denbytassen und der bauchigen Teekanne, der Edelstahltoaster auf der Arbeitsplatte und der glänzende Wasserkocher aus dem gleichen Material, der die Form eines Teekessels aufweist. Ihre Hände zittern fast unmerklich. Sie lehnt an der Küchentür, ihr Körper beinahe steif, unbeweglich. Lauras Haare sind gewachsen, sie fallen dunkelbraun über die Schultern. Ihre Augen lösen sich nicht von meinem Küchentisch, auf dem rote Papageientulpen stehen.
„Mitte November“, sage ich „und ich sehne mich schon jetzt nach dem Frühling.“
Laura hebt ihren Blick und sieht mich lange an. Sie atmet flach und viel zu schnell und
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