Ich Bin Ein Schwein
verbreitet einen Duft von Calendulaöl. Ihr Bauch wölbt sich sanft nach vorne. Hellblauer Stoff umrahmt ihn. Ein Feengewand im Winter. Sie lächelt, neigt den Kopf zur Seite. Ich entzünde eine Kerze und schalte den Wasserkocher ein: „Setz dich doch.“
Lauras Beine scheinen mit dem grauen Teppich im Flur verwachsen. Erst als ich meine Hände auf ihre Schultern lege, gibt sie nach, löst sich vom Türrahmen und lässt sich zum Stuhl führen. Ich fülle heißen Tee in blaue Tassen und stelle eine vor ihr ab. Im Zwielicht flackert die Kerze. Ich entzünde eine Zigarette, sauge an ihr.
„Bald wird der erste Schnee fallen“, sagt sie.
Sie hält den Kopf noch immer zur Seite geneigt und rückt ihren Stuhl zurecht. Es dauert, bis sie die richtige Position zum Sitzen findet. Lauras Hände nesteln am Stoff ihrer Kleidung. Sie lächelt immerzu, ihre Mundwinkel zucken. Ich schweige, lehne mich zurück und konzentriere mich auf den Geschmack von Nikotin im Mund.
„Du magst Papageientulpen“, erwidere ich, als sei es eine Antwort auf ihre Feststellung.
Sie lacht kurz und hoch auf. Ein Ton, der ihr entfährt, der mitten im Raum hängen bleibt und nachklingt.
„Er ist weg“, sagt sie, ihre Miene verfinstert sich.
Lange sieht sie mich an, atmet kaum. „Glaubst du, es ist Schicksal, dass ich dich gerade jetzt in der Buchhandlung getroffen habe?“
Ich zucke mit den Achseln: „Bist du deshalb mitgekommen?“ Mein Blick klebt an ihrem Bauch. „Der wievielte Monat?“
Sie steht auf. Wieder rast mein Herz. Ein kurzes Aufflackern, als blätterte ich in einem abgelegten Fotoalbum, das mir zufällig in die Hände gefallen ist. Dann aber kehrt sie zurück, kramt in ihrer Tasche und reicht mir eine Schwarz-Weiß-Aufnahme. Ich lege sie auf den Tisch zwischen uns und fahre mit der Hand über das zerknitterte Papier, das das Datum von heute trägt.
„Man kann den Herzschlag im Ultraschall sehen“, sagt sie.
„25. Woche, 33 cm“, lese ich laut wie beim Kartenspielen, wenn es um die Daten von Autos oder Flugzeugen geht. Die bessere Karte gewinnt und streicht die des Gegenspielers ein.
„Es wiegt 1000g“, versuche ich es erneut.
Sie erwidert nichts. Welche Karte könnte sie auch ausspielen. Ich lehne das Ultraschallbild gegen den Kerzenständer und fahre ein wenig zu langsam mit dem Finger durch die Flamme.
„Es ist ein Mädchen.“ Ihre Stimme klingt fragend, ohne eine Antwort zu erwarten.
Ich stehe auf, gehe Schritt für Schritt auf sie zu. Laura greift nach ihrer Tasche. Draußen läutet eine schwere Glocke. Kleine Staubpartikel hängen in der Luft, ein kaum sichtbarer Vorhang, den meine Hand durchbricht und nach Laura tastet. Sie steht auf, ein kurzer, unentschlossener Augenblick, dann fasst sie meine Hand und legt sie auf ihren Bauch. So stehen wir lange Minuten und lauschen der Stille, als könnten wir ihr das Geheimnis entlocken.
Ein Boxen in meine Handfläche. Schnell löse ich meine Hand von ihrem Bauch, greife ihre und ziehe sie hinter mir her ins Wohnzimmer. Das Bett steht an der gleichen Stelle, die Lampions aus Reispapier leuchten in die Dunkelheit. Auf dem Fensterbrett steht die Passionsblume in voller Blüte.
„Meinst du, du fühlst dich hier zu Hause?“
Laura antwortet nicht, ihre Augen fahren von der einen Ecke des Zimmers zur nächsten, während ich meine Hände um ihre Schultern lege. Ihr Körper versteift sich wieder, eine Unbeweglichkeit, die ich von ihr nicht kenne. Irgendwann löst sie sich vom Türrahmen, geht zum Fenster, schiebt den Vorhang beiseite und sieht hinaus. Ihr Blick nimmt alles ins Visier, die wenigen Passanten, die Liebespaare, die die Köpfe zusammenstecken, die alte Frau vom Haus gegenüber, die mich hinter der Scheibe erkennt und mir zunickt, die Mondsichel, die seltsam zweidimensional am Himmel hängt, als hätte sie ein Teddybär aus irgendeinem Kinderbuch dort oben befestigt, und den Verkehr, der zäh über die Kreuzung kriecht. Laura lässt den Vorhang fallen, fährt mit der weißen Hand über die lila Blüten. Sie wendet sich nicht um.
„Ich werde sie Fee nennen, Laura Fee.“
Ihre Stimme bricht, sie sieht weiter aus dem Fenster. Ich trete zurück und betrachte ihre Silhouette, die verzerrte Bilder auf den Teppich und an die Wand wirft. Wie Laura verharren sie unbeweglich, ein Abglanz ihres Selbst.
„Bist du die, für die ich dich halte?“ Ihre Stimme klingt erschöpft wie nach einer durchtanzten Nacht. Sie kratzt ein wenig. Laura wendet sich um.
„Ich
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