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Ich Bin Ein Schwein

Ich Bin Ein Schwein

Titel: Ich Bin Ein Schwein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Steinlechner
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sichtbar. „Was willst du?“, fragt er, und die Frage klingt belanglos, fast wie nebenbei gestellt.
    „Lass mir den Schlüssel. Ich komme nur nachts, wenn du arbeitest“, forciere ich.
    Meine Stimme gewinnt Haltung zurück. Als ich die Bluse ablege, wehrt er sich nicht.
    „Gut“, sagt er nur, nichts weiter.
    Ich lasse den BH fallen, dann die Hose. Lange ruht sein Blick auf mir. Nichts geschieht. Irgendwann ziehe ich ihn aus. Lasse die kalten Hände seinen behaarten Rücken hinabgleiten.
    Die nackten Füße auf den Fliesen. Ich fröstele, ein Umstand, den ich mir abtrainieren muss.
    Ich umfasse seinen steifen Schwanz, befriedige ihn mit der Hand. Es dauert nicht lange, ein kurzer Einschub. Dann greife ich nach meiner Hose und dem Oberteil, ziehe mich im Gehen an, fasse den Schlüssel wie eine Beute.
    „Bleib doch“, sagt er.
    Ich schüttele den Kopf, ziehe Schuhe und Jacke an, er streift meine Lippen mit seinen.
    Diesmal hat er die Tür nicht abgeschlossen. Eine einzige Bewegung meines Schlüssels, und sie öffnet sich. Im Flur brennt das Licht zum Auftakt. Die Nachtspeicherheizung rattert in der Küche. Ein süßlicher Duft nach Patchouli strömt aus Martins Wohnzimmer. Schnell streife ich Jacke und Schuhe ab, schalte die Deckenbeleuchtung ein. Vom Wohnzimmer schleiche ich in seinen Schlafraum, von dort in die Küche, sogar im Badezimmer überzeuge ich mich. Niemand ist zu Hause.
    Langsam kriecht die Wärme in meinen Körper zurück. Der Frühling zeigt sich dieses Jahr wehrlos gegen den anhaltenden Regen. Martins Einzug als der Vorbote einer im Keim erstickten Sonne. Seit Wochen Wolkenbrüche, Sturm und sanfte Schauer. Einschläge auf der Haut.
    Wie gewohnt lasse ich mich auf seinen Liegestuhl aus Lederimitat gleiten. Meine über der Sitzecke installierte Lichterkette hat er abgehängt. An ihrer Statt hängt dort ein Zettel mit riesigen Lettern,
Lass das gefälligst!
Darunter, in kleinerer Schrift:
Was bietest du für die Lampions?
    Ich reiße den Zettel von der Wand, zerknülle ihn und werfe ihn in den Papierkorb unter dem Schreibtisch. Sein Computer surrt auf, als ich mich vor ihm bewege.
Das habe ich mir gedacht
, steht da,
du bist schnell erregt und so aufbrausend
...
gefällt dir der Patchouliduft?
    Erst jetzt füllt die aufdringliche Süße wieder meine Nase, als gehorche sie seinen Befehlen.
    Scroll mal nach unten
, fordert er mich auf, und ich folge der Anweisung.
    Vor mir bauen sich kleine, aneinandergereihte Bilder auf. Erst auf den zweiten Blick erkenne ich mich. Die nassen Strähnen, die auf seinen Tisch tropfen, Augen, die alles absorbieren. Meine Gestalt von hinten in der Buchhandlung, beim Friseur, mit nassen Haaren durch die Scheibe fotografiert, und danach mit kürzerem Zwanzigerjahre-Schnitt und rotbrauner Farbe. Mein Lächeln, siegessicher. Meine hastigen Schritte nach Hause mit der Einkaufstasche, erst kürzlich, die die Frühlingsjacke enthält, mit Fischgrätmuster, die eigentlich zum Winter passt und daher nur schwer zu finden war. Meine unscharfen Konturen vor dem Secondhandladen mit der aufgedrehten Verkäuferin, die mich unablässig in ein Gespräch zu verwickeln suchte, mir die roten Oberteile dann aber für einen überteuerten Preis abkaufte. Ein schlechtes Foto, hätte man früher gesagt, heute aber ganz im Stil der Zeit, als gehöre die Unschärfe zum Leben.
    Gib mir mehr von Dir!
, steht unter der Reihung, und wie eine Drohung hinzugesetzt:
Ich beobachte dich
.
    Ohne Zögern greife ich nach meinem Portemonnaie, ziehe ihr Bild aus der Seitentasche und befestige es auf seinem Bildschirm.
    Eine kalte Hand legt ihr Gewicht auf meine rechte Schulter. Ich habe das Schloss und die Schritte nicht bemerkt. Martin verzieht die Mundwinkel zu einem Grinsen, nimmt Lauras Bild an sich, betrachtet es kurz. „Das Mädel kenne ich“, behauptet er, „Ihr Freund ist Sänger von so ‘ner aufstrebenden Band. Hab mal Aufnahmen von ihm gemacht. Die ist ganz schön durchgeknallt, die Kleine. Ich mein jetzt, die nimmt sich ganz schön wichtig und so, hat ihn angeschrien, die Band sei ihm wohl wichtiger, und dann hat sie ihn stehen lassen, vor der ganzen Truppe. Er ist dann hinterher. Es gab ein Riesentheater: So etwas lass ich mir nicht bieten!“
    Martin hält inne. Seine Augen lassen mich nicht los. „Genau“, schließt er, „ich bin da anders. Mich kommandiert niemand. Ich find die Kleine, nur eine Vorleistung erwart ich schon.“
    Mein Körper spannt sich an. Ich lausche seinen Worten nach,

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