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Ich Bin Ein Schwein

Ich Bin Ein Schwein

Titel: Ich Bin Ein Schwein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Steinlechner
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Gesichtern. Überall rauschten Rolltreppen, viel zu viele, und sogar Laufbänder gab es, die in die leer stehenden Hallen rollten. Nichts als dieses Rauschen der Treppen. Dann habe ich Schritte gehört, die immer näher kamen. Ich wollte dich rufen, aber es gelang nicht.“
    Ich löse meine Hand aus ihrer Umklammerung.
    „Das Abendessen ist fertig. Du musst hungrig sein.“ Mein Blick heftet sich erneut auf ihren Bauch.
    „Auf dem Stuhl liegen alte Sachen von mir, die dir jetzt bestimmt passen. Behalt sie, ich habe sie abgelegt.“
    Während ich zur Uni gehe, bleibt Laura zu Hause. Sie kocht und füllt die Küche mit dem Duft von selbstgebackenem Brot.
    „So viel können wir gar nicht essen“, sage ich, aber sie lächelt nur und beißt in das noch warme Walnussbrot. Ihr Bauch wird mit jedem Tag runder. Lauras Gesichtszüge verschwinden hinter der alles überlagernden Wärme, die mich und die Wohnung zu schlucken droht.
    „Bist du die, für die ich dich halte?“, frage ich.
    Draußen dämmert es bereits. Im Garten fällt das letzte Tageslicht auf den zusammengefegten Blätterhaufen. Sie antwortet nicht, schlägt nur geräuschvoll das Buch zu, von dessen Titelseite eine Hochschwangere den Betrachter mit blendend weißen Zähnen anlächelt. Sie trägt ein geöffnetes blaues Hemd über einem weißen T-Shirt, das sich eng an ihren Bauch schmiegt.
    „Das solltest du lesen“, sagt sie und sieht mich herausfordernd an.
    Ich wiege das gebundene Buch in meinen Händen, schlage die erste Seite auf. Eine Widmung in geschwungener Schrift:
Für Laura von Maria
.
    Ich sehe auf. Laura lächelt. Jetzt erst fällt es mir auf: „Wo sind deine neuen Kleider?“
    Laura antwortet nicht sofort. „Ich habe meine alten auf dem Dachboden gefunden“, sagt sie.
    Laura trägt wieder hellblau.
    „Dein Feengewand“, murmele ich. Sie überhört es.
    Im Januar wird Laura wegen starker Blutungen ins Krankenhaus eingeliefert. Sie liegt in einem Stahlbett vor einer weiß getünchten Wand, die noch nach Farbe riecht, und blickt an die Decke. Von draußen dringt das Hämmern und Klopfen einer Baustelle ins Zimmer. Laura wendet ihren Kopf ab, als ich ans Bett trete. Ich lege ein kleines Päckchen auf ihren fast flachen Bauch. Sie umfasst es und legt es auf ihren Nachttisch, auf dem außer ein paar violetten Papageientulpen, die ich ihr gestern gebracht habe, nichts steht.
    „Du könntest jetzt richtig bei mir einziehen. Noch mal ganz von vorne“, sage ich und lausche meinen Worten, die seltsam und fremd klingen, als gehörten sie nicht mir, sondern etwas Neuem, das sich aus einer Tiefe ans Tageslicht zwängt.
    Endlich wendet sie mir ihr Gesicht zu. Eine Ruhe umgibt sie, die so etwas wie Stillstand in diese Krankenhauswelt trägt. Ihr Versuch, die Zeit anzuhalten.
    „Das hat Maria auch gesagt.“
    Ich starre sie an, ringe nach Luft: „Maria?“, frage ich.
    „Ich habe sie angerufen. Sie kommt morgen um 14 Uhr, wenn ich entlassen werde. Pack meine Sachen in meine blaue Reisetasche. Du kannst sie auch unten beim Pförtner abgeben.“
    Ich stehe an ihrem Bett und versuche, ihre Hand zu ergreifen, die sie mir entzieht. Eine Krankenschwester betritt den Raum: „Frau Winter benötigt Ruhe“, sagt sie. Für einen Augenblick verharre ich in der Mitte des Raumes, sehe das rote Licht der Abendsonne, das unaufhaltsam in Lauras Zimmer dringt. Sinnlos, mich dagegenzustellen. Stattdessen lasse ich die Tür einen Spalt offen stehen, als ich ihr Krankenzimmer verlasse. „Schöne Tulpen“, höre ich die Schwester noch sagen und sehe in Lauras blasses Gesicht, auf dem sich keine Regung abzeichnet. Sie nickt nur und lächelt leise in die Abendsonne.
    Lauras Reisetasche habe ich beim Pförtner abgegeben. Ihre hellblaue Feenkleidung allerdings liegt in einem verschnürten Päckchen in meinem Schrank. Sie wäre ohnehin zu groß für sie. In der Tasche befindet sich ein neues rotes Oberteil in ihrer Größe und zwei Sets roter Unterwäsche mit Spitzenbesatz. Beides habe ich in Rosenpapier einwickeln lassen. Der Koffer ist schwer, weil ich alle Bücher über Schwangerschaft und Geburt eingepackt habe. Nur den Strampelanzug in hellblau habe ich behalten und ihn in das Päckchen gepackt, in dem auch Lauras Kleider sind. Noch passen sie mir nicht. Die Schultern sind zu schmal, die Brüste und der Bauch viel zu klein. Im Brotfach lagert noch Lauras Walnussbrot. Es ist hart geworden und setzt den ersten Schimmel an. Ihr Rezept aber liegt auf dem Küchentisch, ein

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