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Ich Bin Ein Schwein

Ich Bin Ein Schwein

Titel: Ich Bin Ein Schwein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Steinlechner
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versuchte sie sich auf das Wesentliche zu konzentrieren; darauf, dass der Mistkerl sie ausgetrickst hatte. Irgendwie war es ihm gelungen, an ihre Tasche zu gelangen.
    „Nicht so schlimm!“, meinte ihre Kollegin, nachdem sie ihren Monolog beendet hatte, „er ist nicht umsonst der Beste!“
    Sie berührte Marion am Arm und strich daran langsam nach oben. „Wir werden ihn schon bekommen.“
    Marion nickte. Sie hatte Verdachtsmomente gehabt. Junge Männer, alte Männer – auch einige Frauen hatte sie im Visier gehabt, doch niemanden, den sie hätte festnageln können, niemand, der ein Warnsignal in ihr ausgelöst hätte. Die Aufklärung der Diebstahlsserie wird spannender, als du es dir in deinen Träumen ausgemalt hast, dachte Marion. Adrenalin und ein triumphales Hochgefühl flossen durch ihren Körper, als sie gemeinsam mit ihrer Kollegin vom Platz ging, um ihren Bericht zu schreiben.
    Wenige routinerte Handgriffe und Marion war in der Wohnung.
    Ihre guten Absichten waren bei dem kurzen Blick durch die offene Tür ins Nachbarzimmer ebenso verflogen wie ihr Triumphgefühl. Sie verfluchte ihren unüberlegten Plan, den Handtaschendieb ohne ihre verhasste Partnerin zu stellen. Doch es war zu spät, ihre Kollegen waren per Handy informiert, und sie allein würde für eine Verhaftung, die sie plötzlich gar nicht mehr vornehmen wollte, die Lorbeeren kassieren.
    Selbst von hinten hatte sie ihn erkannt, hatte sie ihn doch bereits auf dem Platz beobachtet, weil er ihr gefallen hatte: Auch er hatte gewartet, immer wieder auf die Uhr geblickt, während er unruhig hin- und hergelaufen war.
    Sie hatte die Frau beneidet, auf die der große Dunkelhaarige wartete, hatte sich sogar für Sekunden gewünscht, dass sein Date nicht auftauchen würde, damit sie seinem Glück nicht zusehen musste, während sie lediglich von dieser Schnepfe von Kollegin abgelöst werden sollte.
    Sie hätte es beschwören können: Es war unmöglich, dass er unbemerkt von ihren Blicken den Platz überquert hatte, ihre Tasche an sich gebracht und dann spurlos verschwunden war.
    Sie hatte noch alle Menschen vor Augen, die sich auf dem Platz aufgehalten hatten, doch er war ihr entfallen, obwohl sie ihn bereits zwanzig Minuten lang beobachtet hatte. Obwohl sie sich insgeheim gefragt hatte, auf welchen Typ Frau er wohl ansprang.
    Doch nun saß er dort, einen Raum weiter, mit dem Rücken zu ihr auf seinem Bett, und ihr Empfänger sagte ihr, dass der kleine Peilsender direkt vor dem Dieb stehen musste – und mit dem Sender auch ihre Tasche.
    Gedanklich ging sie noch einmal das Polizeiprofil des Diebes durch, der sich höchstens ein halbes Jahr in der gleichen Stadt aufhielt. Dann zog er weiter. Ungefährlich, aber getrieben. Seinen Opfern schickte er geflissentlich die in den Taschen befindlichen Dokumente zurück – Reisepässe, Ausweise, Führerscheine –, behielt aber die Taschen und deren persönliche Inhalte. Die bestohlenen Frauen hatten alle ein Marzipanherz dazu bekommen.
    Marions Blick glitt zu den Regalen, in denen seine Trophäen Ehrenplätze erhalten hatten. Sie waren hinter Glas arrangiert worden, jede in einem einzelnen Schaukasten. Die Dinge, die sich im Inneren befunden haben mussten, standen zusammen mit einem Schnappschuss der Besitzerin vor der jeweiligen Tasche.
    Krank, war ihr erster Gedanke, bevor sie wie unter Zwang weiterschlich, statt ihn auf der Stelle zu verhaften.
    Marcello, dachte sie. Sie musste wissen, worum es bei seiner Obsession wirklich ging.
    Sie stahl sich ins Schlafzimmer und verharrte reglos. Ihr Blick ruhte auf seinem Profil. Eine merkwürdige Mischung aus Andacht und Anspannung lag darin. Die Augen hatte er geschlossen. Sein Hemd war geöffnet. Auf der nackten Haut kräuselten sich schwarze Haare, die zu der Lockenmähne auf seinem Kopf passten. So sah doch kein Kerl aus, der auf Handtaschen stand! Doch die blaue Tasche, die vor ihm lag, sprach eine andere Sprache.
    Marion sah zu, wie Marcello seine schlanken Finger über das Leder gleiten ließ, langsam und prüfend die Konsistenz des Materials erforschte. Gepflegte Hände.
    Marions Mund wurde trocken. Sie stellte sich vor, auf seinem Bett zu liegen und von seinen Berührungen gehuldigt zu werden. Er würde ihr das Tempo vorgeben, jeden Millimeter ihrer Haut liebkosen, jedes Zittern ihres Körpers registrieren und kundig darauf reagieren. Bis sie die Fassung verlöre.
    Auf Zehenspitzen trat sie in den Raum.
    Du solltest nicht hier sein! Nicht still und heimlich

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