Ich Bin Ein Schwein
schlanken Fingern. Der Gang des Anderen wäre leicht, schlendernd setzte er die Füße voreinander, wiegte sich in den Hüften.
Er höbe die Waffe. Wortlos. Sein Gesicht eine weiße Maske. Er streckte den Arm aus. Die Schwere, die in seiner Hand ein leichtes Zittern verursachte. Er zielte auf den Anderen, während der ihm entgegenkäme. Auf dessen lächelndes Gesicht.
Es bräuchte einen Moment, bis der Andere sähe. Einen Schritt, zwei Schritte setzte der Andere unbeirrt seinen Weg fort, ehe die Bedeutung dessen, was er wahrnähme, sich soweit in seinem Hirn zusammengesetzte hätte, dass er unwillkürlich stehen bliebe. Der erwartungsvolle Glanz verschwände aus den Augen des Anderen. Einen Moment der Reglosigkeit, einen Moment der Unbestimmtheit lang läge unschlüssige Ausdruckslosigkeit im Blick des Anderen. Dann ein leichtes Zucken der Lider; der Schrecken, die Panik blitzten auf. Der Andere verstünde.
Dies, genau dies wäre der Moment, der Bruchteil des Momentes, auf den es ihm ankäme. Genau jetzt drückte er ab. Genau jetzt löschte er den Anderen aus.
Er hat die Vorhänge zugezogen, den Sessel vor den großen Wandspiegel geschoben. Er hat sich zurechtgemacht. Hat die schwarze Hose angezogen, den schwarzen Rollkragenpullover. Es läuft Musik:
Huggotron – Superkiller
. Er sitzt in dem Sessel, seinem Spiegelbild gegenüber. Die Beine übereinandergeschlagen. Er sieht sich selbst in dem grauen Plüschsessel. Seine Haut wirkt weiß, im Kontrast zu dem Schwarz. Dem Schwarz seiner Kleidung, die ihm bis zum Kinn reicht. Dem Schwarz seiner Haare. Dem seiner Augen. Er hat sich getönte Kontaktlinsen besorgt. Seine Hände liegen in seinem Schoß. Dort liegt auch die Waffe. Er sieht sich die Waffe hochheben. Er blickt in das Spiegelbild der Mündungsöffnung des Laufes. Er sieht die weiße Hand die schwarze Waffe halten. Er sieht das leichte Zittern von ihrer Schwere.
The most powerfull handgun in the world
. Er drückt ab. Lautlos formen seine schmalen Lippen:
Pchh!
Die Waffe macht:
Klick!
Er wiederholt den Vorgang. Immer wieder hebt er die Waffe aus seinem Schoß. Er spürt ihr Gewicht. Er zielt. Er versucht, das Zittern zu unterdrücken.
Schließlich ejakuliert er.
Pchh!/Klick!
Die Waffe ist ein Imitat einer Smith & Wesson Model 29, Kaliber .44 Magnum, Lauflänge 6½“. Er hat sie aus dem Waffengeschäft an der Bismarckstraße. Die Waffe ist ein Schreckschussrevolver.
Er ist nass im Schritt.
Verhandlungssache
Anna Clainen
§1 Präambel
„Was ist moralisch und was unmoralisch? Niemand wird je auf diese Frage eine befriedigende Antwort geben. Nicht weil die Sitten sich ständig wandeln, sondern weil das Prinzip, von dem sie abhängen, erkünstelt ist.“ (Henry Miller, Von der Unmoral der Moral)
§2 Verdacht
Maya war schön wie die untergehende Sonne, deren letzte Strahlen das Meer in dunkles Rot tauchten. Maya war ein warmer Sommertag, in dessen verborgenen Buchten er nackt baden wollte. Mayas Atem war kühlender Wind, der das Wasser kräuselte und ihm wohlige Schauer durch den erhitzten Körper schickte. Maya war Leben und Lachen. Maya war Verführung.
Gedankenverloren hielt er das Messer in seinen Händen. Bewegte es hin und her. Stach sich in den Finger. Die Klinge spiegelte das Blut des Abendhimmels. Keine Wolken. Dennoch würde es ein Gewitter geben. Maya küsste ihn auf die Wange. Ihre Augen glühten schwarz. Ein Lachen wie Elfenbein im Gesicht des Sommerschneewittchens. Apfelbrüste unter einem schlichten Trägershirt. Wickelrock. Barfuß. Am Himmel kreiste majestätisch ein Adler. Maya war schön wie die Einziehbarkeit der Raubvogelkrallen; oder auch wie die Unschlüssigkeit der Muskelbewegungen in den Wunden der Weichteile der hinteren Genicksgegend.
Maya war seine Schwester.
„Hattet ihr beiden eigentlich schon mal etwas miteinander?“
Anja stellte die Frage so beiläufig, als ob sie wissen wollte, wem sie von dem reichlich vorhandenen Wein nachschenken sollte. Doch zumindest für den Moment hatten sie genug. Sie senkten ihre Blicke. Als sie nicht antworteten, fuhr Anja fort:
„Ihr könnt mir nicht erzählen, dass ihr noch nie auch nur ein wenig gefummelt habt?! Mal ehrlich, Maya, habt ihr euch noch nie gegenseitig zwischen den Beinen gestreichelt?“
Maya antwortete mit ein wenig zu entrüsteter Stimme:
„Nein, haben wir nicht. Es sind eben nicht alle so pervers wie du und Tobias.“
„Ach, nur weil ich meinem Bruder manchmal den Schwanz lutsche, bin ich pervers?! Jens, was sagst
Weitere Kostenlose Bücher