Ich Bin Gott
um vor dem Stadtrat sein Gehalt zu rechtfertigen.
» Mit ihm zusammen wurde auch ein gewisser Lester Johnson festgenommen, wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt.«
» Vater oder Bruder?«
» Eher Bruder. Die Geburtsdaten besagen, dass sie nur ein Jahr auseinander sind.«
» Wissen Sie, ob dieser Lester noch in Hornell wohnt?«
» Leider bin ich nicht von hier. Ich bin auch erst vor kurzem hierhergezogen und kenne noch nicht viele Leute. Doch wenn Sie mir noch eine Sekunde geben, werde ich das überprüfen.«
» Das würde mir sehr helfen.«
Bellew war erkennbar versucht zu erklären, dass sich selbst Sekunden zu Tagen und Monaten aufaddierten. Und dass sie Mühe hatten, in dieser schwierigen Situation auch nur Stunden zu finden. Dennoch hatte er ruhig und freundlich geantwortet.
» Im Telefonbuch steht kein Wendell Johnson. Doch ich habe hier einen Lester Johnson, 88 Fulton Street.«
» Sehr gut. Ich schicke Ihnen ein paar Leute mit einem Hubschrauber. Bitte sorgen Sie dafür, dass er irgendwo landen kann.«
» Es gibt den Hornell Municipal Airport.«
» Sehr gut. Der Hubschrauber wird so schnell wie möglich da sein. Dann benötige ich auch noch Ihre persönliche Hilfe.«
» Was auch immer Sie wollen.«
» Wenn Sie meine Leute abholen könnten, wäre das großartig. Im Übrigen ist es von äußerster Bedeutung, dass dieses Gespräch vertraulich bleibt. Sehr vertraulich. Habe ich mich verständlich ausgedrückt?«
» Natürlich.«
» Dann bis bald.«
Der Captain beendete das Gespräch und sah Vivien und Russell an.
» Wie ihr hört, müsst ihr eine Reise machen. Ich schicke in der Zwischenzeit ein paar Leute in die Wohnung dieses Johnson. Reine Routine, denn ich glaube nicht, dass sie irgendetwas dort finden. Wir dürfen aber nicht das kleinste Detail außer Acht lassen.«
Innerhalb einer Viertelstunde forderte Bellew einen für Nachtflüge ausgestatteten Hubschrauber an. Vivien und Russell wurden in höchster Eile zu einem Fußballfeld in der 15th Street am Ufer des East River gebracht, und kurz darauf kam der Helikopter, ein unförmiges, überdimensionales Insekt, das elegant durch die Lüfte schwirrte. Kaum waren sie eingestiegen, gehörte ihnen die Erde schon nicht mehr. Die Stadt bestand nur noch aus Klötzchen und Streichhölzern, die bald unter ihnen verschwanden. Wie in Zeitlupe tauchten sie in die Dunkelheit ein, und der Lichtspalt am Horizont, der noch vage an die Existenz der Sonne erinnerte, wurde immer schmaler.
Der Pilot landete sanft neben einem schmalen, länglichen Gebäude, das von einer Reihe Lampen erleuchtet wurde. Auf dem Feld zu ihrer Linken standen ein paar kleinere Touristenflugzeuge. Cessna, Piper, Socata und andere Modelle, die Vivien nicht kannte. Als sie die Tür öffnete, fuhr ein Streifenwagen, der neben dem Gebäude gewartet hatte, auf sie zu.
Ein uniformierter Mann stieg aus. Er war um die vierzig, hatte einen Schnurrbart und graumeliertes Haar und kam ihnen mit dem schwerfälligen, schlaksigen Gang eines Basketballspielers entgegen. Als Vivien ihm die Hand drückte und ihm in die Augen sah, wurde ihr bewusst, dass ihr Urteil auf Basis seiner Stimme voreilig gewesen war. Er wirkte vertrauenerweckend und schien seinen Posten nicht ohne Grund innezuhaben.
» Captain Caldwell.«
Sein Händedruck war kräftig und entschieden.
» Detective Vivien Light. Dies ist Russell Wade.«
Die beiden Männer nickten sich zu. Die Dringlichkeit, die sie antrieb, hatte offenbar auch den Polizeichef von Hornell angesteckt.
Er deutete sofort auf das Auto.
» Wollen wir?«
Sie stiegen ein, und während sie noch die Sicherheitsgurte anlegten, fuhr das Auto schon los. Sie ließen das Flughafengelände und die Lichter der Piste hinter sich und bogen auf die Route 36 ein.
» Bis zur Foulton Street ist es nicht weit. Sie liegt im Norden von Hornell. In ein paar Minuten sind wir da.«
Zu dieser Tageszeit herrschte nicht viel Verkehr, dennoch schaltete Captain Caldwell das Blinklicht an. Vivien musste etwas klarstellen.
» Bitte machen Sie es aber wieder aus, wenn wir in der Nähe sind. Ich möchte ohne Vorwarnung dort auftauchen.«
» In Ordnung.«
Obwohl ihr Fahrer vor Neugierde fast platzte, ließ er sich nichts anmerken. Sein Gesicht war reglos im Widerschein der Armaturen, und er sagte kein Wort. Vivien spürte Russells Gegenwart hinter sich. Auch er schwieg, scheinbar abwesend. Aus dem Text auf seinem Laptop hatte sie allerdings geschlossen, dass sich hinter dieser
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