Ich Bin Gott
ausgeschaltet, damit es in der Klinik nicht klingelte. In der Nacht hätte sie ohnehin keinen wichtigen Anruf bekommen. Wenn etwas geschehen wäre, dann am Tag darauf. Sie hatte nur dort sein wollen, allein mit ihrer Schwester und weit weg vom Rest der Welt, in dieser Nacht, die sich dann als ihre letzte gemeinsame Nacht herausgestellt hatte. Und weil Gretas Tod sie so mitgenommen hatte, hatte sie einfach vergessen, das Handy beim Aufbruch in Cresskill wieder einzuschalten. Sie kramte in ihrer Jacke, holte es heraus, schaltete es mit fahrigen Händen an und hoffte, dass in der Zwischenzeit niemand angerufen hatte. Ihre Hoffnung währte nicht lange. Sobald das Handy ein Netz gefunden hatte, erreichten sie die Hinweise auf verpasste Anrufe.
Russell.
Später, jetzt habe ich keine Zeit.
Sundance.
Später, mein Schatz. Jetzt weiß ich nicht, was und wie ich es dir sagen soll.
Bellew.
Herrgott noch mal, warum habe ich dieses verfluchte Handy nicht eingeschaltet?
Pater McKean.
Scheiße. Scheiße. Scheiße.
Sie überprüfte die Uhrzeit des Anrufs und sah, dass es um die Mittagszeit gewesen war. Jetzt war es Viertel nach zwei. Sie hatte keine Ahnung, warum er angerufen hatte, doch im Moment konnte sie nicht zurückrufen, weil er mit Sicherheit im Beichtstuhl saß. Ein Klingeln würde die reuigen Sünder stören, und bei dem Mann, den sie jagten, wahrscheinlich Verdacht erregen.
In der Zwischenzeit hatten Bellew und sein Begleiter sie erreicht. Der Mann war ziemlich korpulent, doch sein Gang verriet, dass er trotz seines wenig athletischen Körperbaus kräftig und gelenkig war.
» Vivien, wo hast du nur gesteckt?«
Der Captain sah ihren Gesichtsausdruck, und seine Stimme änderte sich sofort.
» Entschuldige bitte. Wie geht es deiner Schwester?«
Vivien schwieg und hoffte, dass die Tablette von Dr. Savine ihr helfen würde, nicht hier vor allen Leuten in Tränen auszubrechen. Ihr Schweigen sagte mehr, als Worte es vermocht hätten.
Bellew legte ihr eine Hand auf die Schulter.
» Das tut mir sehr leid. Wirklich.«
Vivien rüttelte sich auf. Sie bemerkte die Verwirrung des anderen Mannes. Er hatte begriffen, dass etwas passiert war, und wusste nicht, wie er sich verhalten sollte. Vivien erlöste ihn aus seiner Verlegenheit, indem sie ihm die Hand hinstreckte.
» Detective Vivien Light. Danke für die Hilfe.«
» Ich bin Kommissar William Codner, sehr erfreut. Ich hoffe, dass …«
Vivien würde nie erfahren, was Codner hoffte, denn in diesem Moment klingelte ihr Handy, das sie noch in der Hand hielt. Auf dem beleuchteten Display stand der Name von Pater McKean. Vivien spürte, wie eine heiße Welle sie durchflutete. Sie drückte die Verbindungstaste und hielt gleichzeitig mit einem Finger das Mikrofon zu, damit kein Ton auf die andere Seite drang.
Sie sah zu den beiden Männern auf.
» Wir haben ihn.«
Der Kommissar machte eine Handbewegung, und die Fahrzeuge fuhren los. Ein Wagen blieb vor ihnen stehen. Vivien setzte sich auf den Beifahrersitz, Bellew und Codner nahmen auf dem Rücksitz Platz.
» Leute, es geht los. Du übernimmst, Vivien.«
» Einen Augenblick.«
Eine ruhige, tiefe Stimme, die sie nicht kannte.
»… und wie Sie sehen, haben sich die Versprechungen erfüllt.«
Dann die Antwort von Pater McKean.
» Aber zu welchem Preis. Wie viele Leben kostet dieser Wahnsinn?«
Vivien hielt das Handy ein Stück von ihrem Ohr weg, holte das Sprechfunkgerät von seiner Basis und gab den mithörenden Streifenwagen Anweisungen.
» An alle Fahrzeuge. Hier spricht Detective Light. Alle Einsatzkräfte in Richtung Country Club fahren. Isolieren Sie die Blocks zwischen Tremont, Barkley und Logan Avenue und dem Bruckner Boulevard. Der gesamte Bereich muss mit Streifenwagen abgeriegelt werden. Die Männer sollen so postiert sein, dass sie jeden, der zu Fuß oder mit einem Fahrzeug aus dieser Gegend herauskommt, kontrollieren können.«
» Wahnsinn? Hat man vielleicht die ägyptischen Plagen als Wahnsinn bezeichnet? Hat man die Sintflut als Wahnsinn bezeichnet?«
Vivien spürte, wie eine kalte Hand nach ihr griff und ihr Herzschlag sich beschleunigte. Dieser Mann war wirklich wahnsinnig. Völlig wahnsinnig. Sie hörte die einfühlsame Stimme des Geistlichen, die diesem Mann, der für Vernunft nicht zugänglich war, Vernunft beizubringen versuchte.
» Aber dann ist Jesus gekommen, und die Welt hat sich geändert. Sie hat gelernt zu vergeben.«
» Jesus hat versagt. Ihr habt seine Worte gepredigt, aber ihr
Weitere Kostenlose Bücher